Karl Popper Preis für Badawi!

Laudatio anlässlich der Verleihung des Sir Karl Popper-Preises an Raif Badawi


Raif Badawi

Der saudische Blogger Raif Badawi sitzt seit 2012 im Gefängnis. Er wurde 2014 zu zehn Jahren Gefängnis, einer hohen Geldstrafe und zu 1000 Peitschenhieben verurteilt, wobei bereits 50 Schläge exekutiert worden sind. Die Anklage lautete Apostasie, Beleidigung des Islam und Gefährdung der Staatssicherheit. Zusätzlich wurde auch sein Anwalt Walid Abulkhair später ebenfalls verurteilt, und zwar zu 15 Jahren Gefängnis.

Was ist das Verbrechen von Raif Badawi? Er nannte seinen Blog "Saudi Free Liberals" und widmete ihn kompromisslos dem Säkularismus, als "die praktische Lösung, um Länder von der Dritten in die Erste Welt zu befördern". In dem enorm erfolgreichen Onlineforum gab es Diskussionen über den Missbrauch von Religion durch hohe Regimekleriker sowie über das bizarre Agieren der islamischen Sittenpolizei in seiner Heimat. In einem anderen Eintrag bezeichnete er die Islamische Universität in Riyadh als eine Brutstätte für Terroristen, trat für die Gleichheit von Muslimen und Nichtmuslimen ein und plädierte für eine Trennung von Staat und Religion. Staatlicher Säkularismus sei der wichtigste Schutz für die Bürger eines Landes, schrieb er zur Begründung. Sein letzter Eintrag im Mai 2012 ist vermutlich der ergreifendste: Dort philosophiert er über das Wesen der Freiheit und zitiert den französischen Existenzialisten Albert Camus: "Die einzige Möglichkeit, mit einer unfreien Welt umzugehen, ist so absolut frei zu werden, dass die eigene bloße Existenz ein Akt der Rebellion ist."

Saudi Arabien ist eine klerofaschistische Diktatur, in der Atheismus mit Terrorismus gleichgesetzt wird. Jede Infragestellung des Islam wird demzufolge als staatsfeindliche Handlung angesehen und kann mit der Todesstrafe geahndet werden.

Saudi Arabien rühmt sich, dass der dort gelebte Wahabismus die reinste Form des Islam darstelle. Aus Gründen der Political Correctness muss ich daher sofort hinzufügen, dass dies alles mit dem Islam überhaupt nichts zu tun hat. Allerdings ist es auffallend, dass die der Großteil der Islamischen Welt im Falle von Raif Badawi noch zurückhaltender agiert als bei den ohnehin schon sehr verhaltenen Protesten zum „Je suis Charlie“ - Attentat.

Apropos Protest und unislamischer Islam:
In einem Brief an das Europäische Parlament wehrt sich Saudi-Arabien gegen die Kritik an der Bestrafung Badawis. Das schariakonforme Urteil und die Auspeitschung Badawis verstoßen, nach Ansicht von Saudi Arabien, nicht gegen die Menschenrechte, allerdings die islamischen. Es existiert nämlich die Kairoer Erklärung der Menschenrechte, die 1990 von 45 Außenministern der der Islamischen Konferenz angenommen wurde. In dieser wird die Scharia als die Grundlage der Menschenrechte postuliert. Genau das passiert, wenn Religionen Ethik betreiben und göttliches Recht über menschliches Recht gestellt wird.

Karl Popper Preis

Der Sir Karl Popper Preis möchte der Nobel-Preis für rationales Denken sein und ehrt die Menschen, die sich für rationales und vernünftiges Denken einsetzen und hierfür auch - bedingt durch Strukturen der jeweiligen Umwelt - erhebliche und existenzbedrohende Konsequenzen in Kauf nehmen.

Der Preis ist dieses Jahr mit einem symbolischen Betrag von 1000 € aus Spenden verbunden. Letztes Jahr durfte diesen Preis Prof. Hubertus Mynarek entgegennehmen, der bekannteste Apostat deutscher Zunge. Er war bis 1972 Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, trat aber aus Gewissensgründen aus der katholischen Kirche aus und verlor daher aufgrund der diesbezüglichen Konkordatsbestimmungen seinen Posten. Der Sir Karl Popper Preis ist daher eine weltweit geltende Auszeichnung für Menschen, die sich gegen mittelalterliche Denkformen und Strukturen zur Wehr setzen, für die Preisvergabe spielt es daher keine Rolle, ob diese vormodernen Verhältnisse in Saudi Arabien existieren oder an der Universität Wien. Im Fall von Raif Badawi erscheint dieser Preis noch aus einem anderen Grund als angemessen. Sir Karl Popper hätte sehr geringe Chancen Saudi Arabien zu besuchen. Für Juden besteht dort nämlich ein restriktives Einreiseverbot.

Diese Preisverleihung soll daher in mehrfacher Hinsicht ein Zeichen setzen:
Der Preis soll Raif Badawi und seine Familie ideell und materiell in ihrem Kampf für die Freiheit unterstützen. Er soll Saudi Arabien und dem Rest der Welt zeigen, dass Raif Badawi nicht vergessen ist und eine Symbolfigur für Säkularität, Vernunft und Menschenrechte darstellt. Last but not least ist dieser Preis auch Ausdruck einer humanistischen Willkommenskultur. Einer humanistischen Willkommenskultur, welche die Ideale der Aufklärung ohne die Anwendung physischer Gewalt einfordert. Daher richtet sich mein letzter Satz an die Verantwortlichen in Saudi Arabien sowie ihre Unterstützer im In-und Ausland: Freunde, herzlich willkommen im 21. Jahrhundert!

Laudatio von Dr. Ronald Bilik, anlässlich der Verleihung des Sir Karl Popper Preises bei der langen Nacht der Humanisten, am 15. 10. 2015

(Quelle www.freidenker.at - diese Site wird zurzeit leider nur sehr sporadisch betreut und fordert daher nicht zur täglichen Nachschau heraus...)