An manchen Orten malen die Mühen langsam. Und wiederum an anderen Orten
bleiben die Uhren vollständig stehen. Doch die Rettung naht: Nein, nicht
Jesus persönlich stieß den Zeiger wieder an, sondern viele von seinen
Nachfolgern auf weltlichem Boden - ganz vorne dabei die leibeigene Stellvertretung.
Papst Franziskus, der Revolutionär, hat es doch tatsächlich vollbracht.
Das, was in der westlichen Hemisphäre als selbstverständlich galt,
war offenbar in diesem kleinen Flecken Erde namens "Vatikan" in den
vielen unterirdischen Gängen und Verstecken wohl behütet worden: die
Menschenrechte.
Es kommt also mindestens einem Wunder gleich, dass die
Synode von Kardinälen und Bischöfen in Rom zur Weisheit des Heiligen
Geistes gelangen durfte und feststellte: Homosexuelle verdienen doch tatsächlich
Respekt! Ja, es war wohl über lange Zeit hinweg unklar, wie man diese in
ständiger Sünde lebenden Geschöpfe denn nun einordnen soll: Sind
es wirklich Menschen, die da ihres gleichen Geschlechts zu lieben vermögen?
Nun, das wäre vielleicht für den Anfang dann doch etwas zu viel. Mit
Gnade und Barmherzigkeit solle man ihnen begegnen, diesen vom Weg abgekommenen
Kreaturen, denen doch hinter manch vorgehaltener Hand katholischer Priester
schon einmal die Verantwortung für ihre Verwirrung genommen wurde - denn
wie solle es zu solchen Entgleisten gekommen sein, beim schöpferischen
Akt - der Schaffung von Leben -, wenn nicht durch den Herrn persönlich?
Ja,
es ist auch wirklich keine schöne Sache, wenn der Chef selbst seine eigenen
Mitarbeiter in solche Zwickmühlen fallen lässt. Da formt er sein Ebenbild
- und kommt immer öfter vom eigenen Plan ab. Nicht Mann zu Frau, sondern
im Gräuel der Gleichgeschlechtlichkeiten begehren sich dort einige. "Mein
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Johannes 9, Vers 26 -
27 u.a.), wird so mancher Pfarrer fragen, wenn das Weibe vor ihm steht und etwas
beichtet, was streng genommen mit dem Tode zu bestrafen ist. Doch der Pontifex
will es nicht anders: Respekt soll man ihr zollen, statt sie mit Steinen zu
bewerfen - vielleicht auch besser so, denn wer im liturgischen Gewand kann es
sich zutrauen, den ersten Stein in die Hände zu nehmen (nach Johannes 8,
7)? Aber ein bisschen Mitleid darf es auch weiterhin sein. Dem Schwulen helfen,
nicht der aktiven Lust zu verfallen, höchstens der passiven - das ist doch
pure Zuwendung. Und so schwierig dürfte es auch nicht sein: Das Existieren
in Enthaltsamkeit und Keuschheit, wer kennt es im Klerus denn nicht, ist ein
Geschenk - genauso wie unbequeme Socken. Es drückt und kratzt, doch Oma
im Himmel sieht es so ungern, wenn man Handgestricktes nicht mit Würde
trägt.
Apropos: Würde? Vielleicht gibt es das beim nächsten
Mal, wenn sich die Gesandten wieder um diesen oder einen neuen "Brückenbauer"
versammeln werden. Bis dahin bleibt der Homosexuelle der, der die Erbsünde
trägt. Für seinen Mut, vom Baume gegessen zu haben, gibt es schon
jetzt lobende Worte. Doch mit den Konsequenzen muss er dann doch erst einmal
allein klarkommen. Tatsächlich sind wir Schwule und Lesben Gebeutelte,
denen jeden Tag neu ihre Schmach offenbar wird. Wer einst dachte, das schelmische
Grinsen des Jorge Mario Bergoglio (bürgerlicher Name von Papst Franziskus)
sei Ausdruck von Freundlichkeit, der weiß spätestens jetzt, dass
es lediglich die Zufriedenheit über seinen großen Erfolg ist: Respektieren
statt Tolerieren, Ignorieren statt Akzeptieren. Für einen Tag reichte diese
gefuchste Gleichung, um sich in der ganzen Weltpresse neuer Huldigungen sicher
sein zu können. Und was interessiert das Morgen, wenn es doch 2000 Jahre
brauchte für diesen Meilenstein. "Komm, sag es allen weiter, ruf es
in jedes Haus hinein" (Evangelisches Gesangbuch Nr. 225): Homos sind auch
nur Menschen!
Dennis Riehle,
Sprecher Humanistische
Alternative Bodensee (HABO) am 28.10.2015