Sollte der französische Staat nicht doch einen Blick in die Moscheen
der Pariser Banlieues werfen, nachdem islamistische Terroristen 130 Menschen
in Paris ermordet haben? Und das trotz der Laizität, die eine Trennung
zwischen Staat und den verschiedenen Religionen vorschreibt? Diese Trennung
ist in Frankreich 110 Jahre alt. Es ging damals darum, die Macht der katholischen
Kirche und die Kirchenprivilegien zu bekämpfen.
Laizität
ist nichts besonders "Französisches", sie ist eine Konsequenz
der Gleichheit im spirituellen Bereich: in Bezug auf die Frage, ob es einen
Gott, Götter oder Göttinnen gibt, sind die drei möglichen Stellungnahmen
- Gläubigkeit, Atheismus oder Agnostizismus - genau gleich zu behandeln.
Seit
einer Woche kursiert ein Video von Rachid Abou Houdeyfa, Imam von Brest, in
der Bretagne. Er erklärt 20 oder 30 Kindern, dass diejenigen, die Musik
hören, eigentlich in Kontakt mit dem Teufel sind. Musikliebhaber würden
sich in Affen und Schweine verwandeln. Er fordert am Ende seiner Predigt, dass
alle ihre Musikdateien von den Handys und mp3-Playern löschen und stattdessen
den Koran herunterladen. Die Musik sei "haram", genau wie Schweinefleisch
oder Alkohol.
Nun, das Video ist schon 18 Monate alt und erst diese
Woche ist den Behörden klar geworden, dass es vielleicht doch ein Problem
darstellen könnte, wenn dieser Imam weiter Hass gegen Musikliebhaber schürt.
Im Konzertsaal Bataclan wurden soeben 89 Rock-Fans ermordet.
Religion
ist Privatsache, aber die Laizität fordert nicht, dass der Staat Scheuklappen
trägt, sobald es um Religion geht. Erst seit dem 13. November hört
man die Stimmen lauter, die Frankreichs Anbiederung an Katar kritisch betrachten.
Wenn Katar 50 Millionen Euro für heruntergekommene Viertel der Pariser
Banlieue spendiert, weiß man wirklich, was dann vor Ort passiert? Macht
es politisch Sinn für Frankreich, in Wien das berühmte Palais Clam-Gallas
an das Emirat der arabischen Halbinsel zu verkaufen, obwohl diese absolute wahhabitische
Monarchie nichts anderes ist als ein gelungener IS? Schlechtes Timing: Der Verkauf
des Palais wurde zwei Tage vor den Pariser Anschlägen bekanntgegeben.
Menschenrechte
sollten wichtiger als wirtschaftliche Interessen sein, weil diese viel zu
kurzfristig sind und letztlich nur die Profite von einigen Privilegierten bedienen.
Wie kann die "Grande Nation" dulden, dass im Parlament der Präsident
der "Freundschaftsgruppe Frankreich Saudi-Arabien" Olivier Dassault
ist, der auch dem Aufsichtsrat der "Gruppe Dassault" vorsitzt, eben
die Firma, die Kampfflugzeuge produziert?
Laizität bedeutet nicht
wegschauen, sondern Respekt und Vernunft. Man darf wohl Religionen kritisieren,
ohne automatisch als "islamophob" abgestempelt zu werden, wenn man
Suren des Korans in Frage stellt. Ist man "kathophob", wenn man
der Auffassung ist, dass das Priesterzölibat diskutiert gehört? Für
viele Linke sind Muslime die neuen Proletarier, die man schützen soll.
Kleine Kinder, die keine Kritik oder keine Karikatur dulden (siehe "Charlie
Hebdo"). Ganz im Gegenteil! Die Laizität lehrt Toleranz und ermöglicht
ein Zusammenleben - etwas, das dringender denn je geworden ist.