Angesichts
der angekündigten Heiligsprechung von "Mutter Teresa" lässt sich
fragen, was die katholische Kirche unter Nächstenliebe versteht. Die
englische Zeitung Guardian bezeichnete die Sterbehospize des Ordens von Mutter Teresa als als eine "organisierte Form unterlassener Hilfeleistung".
(Bild: Screenshot aus YouTube-Clip)
Einem Bericht über den Orden von "Mutter Teresa" zufolge stand für
den Orden "nicht die humanitäre und medizinische Hilfe im Vordergrund,
sondern die Missionierung zum katholischen Glauben." Zu der häufig
geäußerten Kritik an der mangelhaften medizinischen Ausbildung ihrer
Mitarbeiter entgegnete die künftige Heilige beispielsweise: "Nicht der
Erfolg, sondern die Treue im Glauben ist wichtig."
Diese Aussage ist neben vielem anderen Beleg dafür, dass ihr
eigentliches Interesse dem "Leben nach dem Tode" galt – deshalb auch
wollte sie ihre Nonnen nicht als Sozialarbeiterinnen verstanden sehen.
Teresa sah die Armut und das Leid als gottgegeben an und aus dieser
Haltung heraus ging es ihr nicht darum, das irdische Leid ihrer
Patienten zu lindern. Das folgende Zitat gibt in seiner ideologisch
eingeschränkten Sichtweise beredtes Zeugnis: "Es ist etwas sehr
Schönes, wenn man sieht, wie die Armen ihr Kreuz tragen. Wie die Passion
Christi, ist ihr Leid ein großes Geschenk für die Welt."
Nach ihrem Tod wurden in den Lagern ihrer Hospitäler große Mengen
schmerzlindernder Mittel gefunden, die aus Spenden stammten, die sie
aber ihren Patienten vorenthalten hatte. Trotz großer Spendeneinnahmen
war die medizinische Versorgung in den Sterbehospizen recht dürftig. Die
Ernährung war katastrophal und zuweilen wurde das medizinische Besteck
nicht ausreichend desinfiziert. Leicht heilbare Patienten wurden nicht
immer in ein Krankenhaus eingewiesen, sondern sie wurden stattdessen zu
Tode gepflegt.
Aus all diesen Gründen ist die von einigen gewählte Bezeichnung
"Todesengel von Kalkutta" durchaus angebracht. Für die Beseitigung der
Ursachen der Armut in der dritten Welt hat sie sich nie eingesetzt.
(Vgl. diesen Artikel von 2010 bei seemoz)
Die Praxis von "Mutter Teresa" erinnert an die Kritik, die bereits
Ludwig Feuerbach an der christlichen Vorstellung von Nächstenliebe übte:
"Wohl ist dem Religiösen auch Gemeinschaft, gemeinschaftliche Erbauung
Bedürfnis, aber das Bedürfnis des andern ist an sich selbst noch immer
etwas höchst Untergeordnetes. Das Seelenheil ist die Grundidee, die
Hauptsache des Christentums, aber dieses Heil liegt nur in Gott, nur in
der Konzentration auf ihn. Die Tätigkeit für andere ist eine geforderte,
ist Bedingung des Heils, aber der Grund des Heils ist Gott, die
unmittelbare Beziehung auf Gott. Und selbst die Tätigkeit für andere hat
nur eine religiöse Bedeutung, hat nur die Beziehung auf Gott zum Grund
und Zweck – ist im Wesen nur eine Tätigkeit für Gott – Verherrlichung
seines Namens, Ausbreitung seines Ruhmes." (Feuerbach, Wesen des
Christentums).
"Mutter Teresa" sowie der Bohei (= österr. Bahöl, hochdeutsch: Wirbel) um sie beweist noch heut die Richtigkeit der Feuerbachschen Kritik.
Papst Franziskus hat für das kommende Jahr 2016 die nächste
Heiligsprechung angekündigt. Diesmal soll die bereits im Jahr 2003 selig
gesprochene Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa
(1910–1997) nun heilig gesprochen werden. Nach der umstrittenen
Heiligsprechung des früheren Papstes Johannes Paul II. scheint dieses
Prozedere weitaus weniger Diskussion auszulösen. Doch hinter ihrem
Mythos verbergen sich nur allzu viele Ungereimtheiten.
Sie gilt als die selbstlose aufopfernde Ordensfrau, die ihr
Leben ganz der Armen- und Krankenpflege widmete. Ihre Tätigkeit in den
Slums von Kalkutta erregte weltweite mediale Aufmerksamkeit und sie
erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Freiheitsmedaille der
Vereinigten Staaten 1985 sowie 1979 den Friedensnobelpreis. Ihr Tod im
Jahr 1997 löste eine große Trauerwelle aus, woraufhin sofort die
Mythenbildung um ihre Person begann, die eine kritische
Auseinandersetzung erheblich erschwerte. Denn was sie sich hat zu
Schulden kommen lassen, entspricht alles andere als dem Bild einer
"Heiligen".
Beginnen wir mit ihrem fragwürdigen Umgang mit Finanzen, dem unter
anderem grobe Intransparenz vorgeworfen wird. Zu dieser Feststellung ist
eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universitäten von Montreal und
Ottawa unter der Leitung von Serge Larivee gelangt, die feststellten,
dass die Spendeneinnahmen nicht nachvollziehbar verwaltet wurden. Die
Informationspolitik blieb sparsam, die Spendenkonten im Verborgenen.
Hinzu kommt ihre fragwürdige Art, sich um Arme und Kranke zu kümmern.
Die Zustände in den Sterbehäusern seien katastrophal gewesen und auf
ihre Anordnung hin verzichtete man auf hygienische Mindeststandards, die
einigen Menschen das Leben womöglich hätten retten können. Stattdessen
wurde die Armut als christlicher Leitwert deklariert, anstatt sich auf
politischer Ebene für die Initiierung staatlicher Sozialprogramme
einzusetzen, die wohl eher der massiven Armut Einhalt geboten hätten.
Auch sahen die Missionare davon ab, sich der Palliativmedizin zu
bedienen, um zumindest die Schmerzen der sterbenden Patienten zu
lindern. Mutter Teresa sah im Schmerzempfinden eine besondere Art, Gott
nahe zu sein. Sie selbst machte kurz vor ihrem Tod dennoch von
Palliativmedizin Gebrauch.
Die Autoren Robin Fox und Dave Hunt berichten außerdem in ihren
Veröffentlichungen zum Lebenswerk Mutter Teresas darüber, dass Kranke
lediglich auf Feldbetten untergebracht wurden trotz solider Finanzlage,
die zur Anschaffung hochwertiger Matratzen mehr als gereicht hätte.
Angesichts dieser Vorwürfe sollte eher die Frage gestellt werden, ob
Mutter Teresas Praktiken nicht eher zum Tod vieler Menschen beigetragen
haben, sei es auch unbeabsichtigt.
Eine Frage, die sich die katholische Kirche natürlich niemals stellen
wird. Vielmehr wird das kommende Jahr dazu genutzt, die PR-Arbeit um
ihre Person ordentlich anzukurbeln und ihr Wirken als Wunder zu
verklären, sogar als diese bereits nicht mehr lebte.
Angeblich wurde ein Mädchen mit Zyste im Unterleib durch das bloße
Beten zur "Seligen der Armen" geheilt. Wissenschaftler entgegneten
jedoch, dass dies auf den vorherigen Einsatz von Medikamenten
zurückzuführen sei. Ebenso kritisch betrachtet wird die plötzliche
Genesung eines Brasilianers, der an mehreren Hirntumoren litt und
ebenfalls allein durch das Beten zur Mutter Teresa geheilt worden wäre,
so jedenfalls laut Aussage des Vatikans.
Ganz abgesehen von dieser Diskussion sind natürlich auch die
Positionen der Ordensschwester zu kritisieren. Sie bekämpfte aktiv die
Empfängnisverhütung und war entschiedene Abtreibungsgegnerin. Kaum
verwunderlich, dass Papst Johannes Paul II. sie 2003 im Eilverfahren
selig sprach.