Die Weisen aus dem Morgenland

In der Sonntagsbeilage der Kronenzeitung predigt nicht nur regelmäßig der Wiener Kardinal Schönborn auf katholisch, sondern auch eine evangelische Pastorin auf protestantisch.

Am 3.1.2015 hatte sich die Pfarrerin Ingrid Tschank mit den "Heiligen drei Königen" (in Österreich katholischer Feiertag am 6.1.) befasst. Luther hatte die katholische Heiligenverehrung abgelehnt und auch im biblischen Text ist bei Matthäus (2, 1-12) von "Sterndeutern aus dem Osten" die Rede, die drei anderen Evangelisten erwähnen diese Episode gar nicht.

Warum das so ist, zeigt sich auch recht klar: denn die östlichen Sterndeuter sind auf der Suche nach dem "Messias" und der Prediger Jeschua ben Josef hatte ja selber nie behauptet, der "Messias" oder gar "Sohn Gottes" zu sein, das wurde erst nach seinem Tode verbreitet und diese post mortem Beförderung wuchs eher ungeordnet in die später als "heilige Schriften" deklarierten Texte ein. Im Matthäustext geht es darum, dass die Sterndeuter fragen, "wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen". Das beunruhigt König Herodes, er "ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle." Niemand wusste was davon, so fragte Herodes die Sterndeuter und befahl ihnen, ihm zu berichten, wo sie den neuen Judenkönig gefunden hätten.

Frau Tschank schreibt in ihrer Sonntagsbotschaft dann über den weiteren Verlauf so: "Nachdem die Weisen aus dem Morgenland das Kind in der Krippe in Bethlehem angebetet und die Geschenke hinterlassen hatten, erzählten sie es nicht Herodes, obwohl sie es ihm versprochen hatten, sondern machten sich auf den Weg nach Hause. Die Folgen waren leider fatal. Wie berichtet wird, ließ daraufhin Herodes alle Kinder unter zwei Jahren töten, denn er hatte Angst, vom neuen König gestürzt zu werden. Trotz der Konsequenzen war die Entscheidung der drei Weisen tatsächlich sehr weise. Sie handelten beherzt, wohl wissend, dass sie damit auch Schuld auf sich nehmen könnten. Sie entschieden, allein ihrem Glauben und Gottes Gebot zu folgen."

Man kann die ganze Geschichte moralfrei behandeln. Dazu einleitend ein alter Witz: Ob es die heiligen drei Könige gegeben hat, ist nicht sicher, gesichert ist nur, dass sie in Köln begraben sind.

Hier der goldene Schrein im Kölner Dom mit einigen alten Knochen, die seinerzeit irgendwelche Schlauköpfe hirnlosen Reliquiensammlern gegen viel Geld angedreht hatten

Es hat klarerweise weder die heiligen drei Könige, noch die Sterndeuter aus dem Osten gegeben, auch hat Herodes keine kleinen Kinder umgebracht, weil er sich gefürchtet hatte, von einem Messias gestürzt zu werden.

Frau Pfarrer Tschank ist jedenfalls für den Kindermord, sie schließt ihre Ergüsse mit:
"Das könnte das evangelische Geschenk der Weisen für Christen sein: Die Erkenntnis, verantwortlich zu handeln, schließt nicht die Gefahr aus, schuldig zu werden. Doch wer aus Angst nicht oder halbherzig handelt, könnte noch mehr Schuld auf sich laden. Öfter mutig und beherzt handeln, das kann ein lohnender Neujahrsvorsatz sein!"

Und was wäre gewesen, wenn es keine Christenreligion gegeben hätte? Wenn diese Religion nicht zwangsweise als römische Staatsreligion eingeführt worden wäre?
1000 Jahre finsteres Mittelalter wären uns erspart geblieben, weil weiterhin Religionsfreiheit geherrscht hätte, keine Verfolgung von Ketzern, Ungläubigen und Hexen wäre möglich gewesen, kein dreißigjähriger christlicher Fraktionskrieg mit proportional zur Bevölkerung weitaus mehr Toten als in den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts, keine Zwangschristianisierung großer Teile der übrigen Welt, die Aufklärung wäre als Neuaufbruch nicht notwendig gewesen, weil sich ohne Mittelalter die Vernunft des Altertums ohne 1000jähriger Christentumspause weiter entwickeln hätte können, der Islam wäre uns auch erspart geblieben und wir wären jetzt soweit, wie wir in 1000 Jahren sein werden.

Aber leider ist das nur ein Gedankenspiel. Das Pech des Christentums hat sich die Menschheit durch die Abfolge einer Reihe nichtbiblischer unglückseliger Umstände zugezogen...

PS: Denkt daran, dieser Tage gehen wieder die katholischen Geldsammler von Tür zu Tür, hier daher nochmals die diesbezügliche Botschaft zum Downloaden, Ausdrucken und zum Aushängen auf der Eingangstür: