Als die deutsche Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage verkündete: "Wir schaffen das", hat sie nicht dazugesagt, wer mit WIR gemeint war.
Der Phase der von Naivität getragenen "Willkommenskultur"
ist die Realität gefolgt, und nun droht die Stimmung zu kippen, weil die
Diskussion von Extrempositionen beherrscht wird. "Alle rein"- und
"Alle raus"-Haltungen in der Flüchtlingsfrage beflügeln
ganz rechte und linke Blindgänger. Man braucht dazu auch niemanden
fragen, denn Schutz für Kriegsflüchtlinge ist ein Menschenrecht. Die
Flucht vor Armut ist menschlich verständlich, entspricht aber nicht der
Gründungsidee der Genfer Flüchtlingskonvention. Darüber gibt
es nichts zu diskutieren, sofern man sie nicht aufweichen möchte. Angela
Merkel und die politischen Eliten sagen jedoch nicht dazu, dass mit "Wir"
eigentlich "Ihr" gemeint ist. Ehrlicher wäre, wenn gesagt würde:
"Ihr schafft das schon."
Die politischen Eliten brauchen
sich keine Gedanken machen, dass ihnen in den nächsten 50 Jahren einer
der jetzt angekommenen Flüchtlinge ihren Job streitig machen wird.
Ebenso werden sie keinen privat finanzierten Kindergartenplatz, Platz in einer
Privatschule und gut bezahlten Arbeitsplatz, in der Verwaltung, in Vorstandsetagen
und in der Politik streitig machen. Warum auch? Österreicher mit Migrationshintergrund,
welche schon seit Jahrzehnten in Österreich leben, sind im privilegiert
öffentlich-gesellschaftlichen Bereich an einer Hand abzählbar.
Die
Eliten sind die Letzten, welche die Auswirkungen spüren werden. Wer
sich wirklich Sorgen machen muss, ist die breite Masse, die Arbeiterschicht,
sind Menschen, die in prekären Arbeitsverhältnissen einen Überlebenskampf
führen. Es sind jene Menschen, welche zu Abertausenden auf eine Genossenschaftswohnung
seit Jahren warten. Hier wird es zu massiven Spannungen kommen, denn knapper
werdende Ressourcen an mehr Menschen zu verteilen, wie Wohnraum, Arbeitsplätze
und Zugang zu diversen Leistungen, was dies bedeutet, dazu kann sich jeder selbst
Gedanken machen.
Dieser Druck aus der Mitte und dem unteren Bereich
der Gesellschaft heraus, löst den Dominoeffekt aus, dass Grenzen nun strenger
bewacht werden und der Druck an die nationalstaatlichen Grenzen des Nachbarlandes
weitergereicht wird. An den Grenzen wird es zu unschönen Szenen kommen.
Die Frage ist, wer übernimmt dafür die Verantwortung?
Solange
die Kriegsführung billig bleibt und die Gewinne privatisiert und die Folgekosten
des Krieges sozialisiert werden, solange wird der Flüchtlingsstrom nicht
abreißen. Ein Lösungsansatz auf europäischer Ebene wäre,
bei der Waffenindustrie und den Ausfuhrgenehmigungen anzusetzen. Domino spielen,
können Kleinkinder auch. Selbst die wissen, wenn einer fällt, fallen
alle!
Efgani Dönmez ist ehemaliger Bundesrat der Grünen