Religion & Menschlichkeit: Duett oder Duell?

Publiziert am 1. März 2016 von Wilfried Müller auf www.wissenbloggt.de

Gerade jetzt häufen sich Verunglimpfungen der Freidenker und Gottlosen. Den Gipfel bildet eine TV-Serie mit dem Titel "Gottlos - warum Menschen töten" (siehe RTL 2 diskriminiert Gottlose). Damit wird suggeriert, dass Gottlosigkeit zum Töten anderer Menschen führt - als ob es nicht eher anders herum wäre. "Religion - warum Menschen töten" wäre ein realistischer Titel.


In einem weiteren wissenbloggt-Artikel („Welt“ und SLpB diskriminieren Gottlose) kann man die Religion als "Ressource ethischer Maßstäbe und Haltungen" dargestellt sehen, Gottlosigkeit schaffe eine Distanz zur "Ordnung der Bundesrepublik". Um die Beispiele vollständig zu machen, sei noch eine christlich-linkspolitische Wallung erwähnt (Politische Kirchenliebe auch links hinten). Demnach verdankt man es Christen und Kirchen, dass es in Deutschland ethische und moralische Wertmaßstäbe gibt.

sciencedelivers Ach so? Wer das glaubt, der ist mit dem wb-Artikel Leitkultur weitgehend unbekannt nicht vertraut, oder zumindest nicht mit unserer tatsächlichen Leitkultur. Was das Christentum für die geleistet hat, sieht man in dem Bild oben – 1000 Jahre Stagnation. Erst als die chrisliche Leitkultur des finsteren Mittelalters durch die moderne Leitkultur von Wissenschaft, Technik und Menschenrecht abgelöst wurde, ging es wieder aufwärts – wie die Texte rechts und unten eindrucksvoll klarmachen.

Damit nähert sich die Argumentation der Frage Duett oder Duell. Wie hängen Religion und Menschlichkeit wirklich zusammen?

Wenn ein wb-Eigenzitat erlaubt ist (aus Religion richtet schweren Schaden an): Gott, Himmel, unsterbliche Seele, ewiges Leben usw. existieren nur in der Vorstellung der Gläubigen. Das sind Phantasieprodukte, nichts als religiöses Märchengut und vorwissenschaftliche Irrtümer. In der Realwelt gibt es sowas nicht.
In Wirklichkeit ist Religion das Ergebnis menschlicher Kreativität. Leute haben sich das ausgedacht, um andere Leute zu instrumentalisieren, denen man einreden kann, es gäbe einen "Gott" und "göttliche" Gesetze usw. Die "göttlichen" Regeln sind ein menschengemachtes Diktat, das mit Höllenangst und Indoktrinierung unters Volk gebracht wird, eine undemokratische und intransparente Willkürausübung.

Wie kann die Religion dann Menschlichkeit beanspruchen, wenn über den Menschenrechten der Gott mit seinen Gottesrechten steht? Zu den göttlichen Gaben gehört ja eine mehr oder weniger strikte Versklavung der Menschen, die vor ihm das Knie beugen und ihn als "Herr" titulieren sollen. Was für eine Ressource von ethischen Wertmaßstäben ist denn das, wenn nicht eine menschenverachtende?

Wer Gottesrechte über Menschenrechte stellt, betreibt Menschenverachtung und -erniedrigung. Bedauerlich, dass diese Kunde bei vielen Religiösen immer noch nicht angekommen ist. Doch in der religiösen Einflußsphäre liegen die Werte Wahrheit und Vernunft darnieder. Es ändert nichts daran, wenn auch gute und schöne Werte tradiert werden. Der Religion kann ja kein Urheberrecht dafür eingeräumt werden, denn diese Werte kannten schon die alten Griechen. Die Religion hat allenfalls dazu beigetragen, gewisse Werte hochzuhalten, von denen die meisten inzwischen als patriachalisch abgelehnt werden.

Das betrifft den ganzen Komplex um die Exklusivrechte beim Begatten – da zeigen sich Parallelen zu den Großaffen und den Löwen, die bis zum Kindsmord an den Nachkommen anderer Männchen gehen. Diese Facette ist von der Religion ausgelassen worden, aber das begründet noch längst keinen Anspruch als humane Autorität.

Wer die Humanität wirklich vertritt, das sind die geschmähten Gottlosen, wenn sie Humanisten sind. Humanismus kommt ohne Himmelsversprechungen und Höllendrohungen aus. Beim Humanismus ist kein eingebildeter Gott das Maß der Dinge, sondern der Mensch. Wer menschengemäße ethische Ressourcen sucht, der wende sich an DIE HUMANISTEN. Unter diesem Link sind die ausgearbeiteten Standpunkte zusammengefasst, die das Fundament der Partei der Humanisten bilden sollten (die aber inzwischen von einer Kurzform ersetzt wurden).

Wer eine Zusammenfassung der Gründe lesen mag, aus denen sich der Überlebenskampf der christlichen Religion speist, ist mit dem wb-Artikel Gott: Schnuller für Erwachsene gut bedient (incl. der ergänzenden Kommentare).

Und das Fazit? Das Duett Religion & Menschlichkeit hat so viele Misstöne, dass es zu einem Duell wird. Religiöse haben kein legitimes Recht, sich über Gottlose zu erheben. Dass es trotzdem geschieht, ist ignorant, anmaßend und menschenverachtend.

Weiterer humoristischer Link: Gott von der Rolle