Da flog sie hin die Kanzler-Darstellerin: Nach Ankara. Gerade erst hatte
sich das türkische Parlament - unter dem Druck von Feme, Gefängnis
und auch eigener Dummheit - selbst kastriert und die Immunität von Abgeordneten
aufgehoben. Doch Angela Merkel belohnt diesen weiteren Schritt in die Erdoğan-Diktatur
mit einem Kotau vor Ankara. Die Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten,
die den Weg zur Liquidierung der türkischen Verfassung ebnen soll, hat
eine grausige Ähnlichkeit mit dem am 23. März 1933 von den Nazis dem
Reichstag abgepressten "Ermächtigungsgesetz", das die Weimarer
Verfassung beerdigte. Und die Reise der Merkel in die Türkei in dieser
Situation, ist durchaus vergleichbar mit der Münchener Appeasement-Konferenz
von 1938, mit der die Westmächte dem "Führer" freie Hand
gegen die Tschechoslowakei gaben. Der britische Premierminister Neville Chamberlain
sagte damals nach seiner Rückkehr: "Nun gehen Sie nach Hause und schlafen
Sie ruhig und gut." Von Merkel werden wir ähnlich dumme Beschwichtigungs-Floskeln
hören.
Mit dem Merkel-Türkei-Besuch in dieser Situation
bekommt Erdoğan freie Hand gegen die Kurden und jene Türken, die sich noch
nicht seinem Diktat untergeordnet haben. Und wie weit diese freie Hand des
neuen Sultans gegenüber Syrien reichen wird - wenn ihm niemand Einhalt
gebietet - ist zu ahnen. Schon heute ist dem Erdoğan-Regime die syrische Grenze
bedeutungslos. Seit Jahren will man die kurdischen Gebiete in Syrien heim ins
osmanische Reich holen. Und da die aktuellen türkischen Interessen kaum
mit denen der USA und des offiziellen Deutschland kollidieren, sind die Folgen
für die syrische Souveränität noch gar nicht abzusehen.
Appeasement
auch in Deutschland selbst. Hier wird mit der "Türkisch-Islamischen
Union", der Anstalt für Religion e. V., ein verlängerter Arm
des Erdoğan-Systems geduldet. Auf den ersten Blick fällt der Verein
unter die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit. Doch der zweite Blick
auf den Diyanet İşleri Türk İslam Birliği, (DİTİB), den Dachverband für
die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten
der angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden, enthüllt
das Bild einer türkischen Organisation, die immer schon unter Kontrolle
und Aufsicht des türkischen Staates stand. Der Vorsitzende der DİTİB ist
in Personalunion auch türkischer Botschaftsrat für religiöse
und soziale Angelegenheiten. Als in der Bundesrepublik Deutschland tätiges
Organ der türkischen Regierung vertritt die DİTİB einen Islam im Sinne
der in der Türkei vorherrschenden sunnitischen Richtung. Wer sich auch
nur für einen Augenblick ein solches Konstrukt auf schiitisch, sprich iranisch
vorstellen mag, dem fällt die Absurdität wie Klappen von den Augen.
Seit
Erdoğan in der Türkei die Macht hat, ist der reiche und mächtige DİTİB-Verband
weit über seine religiöse Aufgabe hinaus ein politischer Verein geworden:
Von dort geht Propaganda für das Erdoğan-Regime aus. Von dort wurde
Wahlkampf für den neuen Sultan betrieben. Dort werden angeblich konkurrierende
Glaubensgemeinschaften wie die Aleviten diskriminiert. Dort sind rund 1.000
Imame angestellt, Geistliche, die dem türkischen Staat verpflichtet sind,
einem Staat, der längst von Erdoğan und seiner AKP gekapert ist. Über
fast zwei Milliarden Euro verfügt das "Präsidium für Religiöse
Angelegenheiten der Türkei", die Muttergesellschaft der in Deutschland
agierenden Türkisch-Islamischen Union, die dem türkischen Ministerpräsidentenamt
angegliedert ist. In den 20er Jahren wurde das "Diyanet İşleri Başkanlığı"
vom laizistischen Gründer der modernen Türkei, Kemal Atatürk,
zur Kontrolle des Islam gegründet. Heute wird es als Transmissionsriemen
einer Re-Islamisierung der Türkei begriffen.
Jeder soll glauben
dürfen was er will: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens
und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind
unverletzlich", sagt der Artikel 4 des deutschen Grundgesetzes. Aber
es sagt auch in seinem Artikel 9, 2: "Vereinigungen, deren Zwecke oder
deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die
verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung
richten, sind verboten." Wie anders soll man einen Verein werten, der
einen Staat auf dem Weg in die Diktatur vertritt, einen Staat, der die eigene
Bevölkerung bombt und sich dieses brutale Recht auch gegenüber einem
Nachbarstaat herausnimmt? Gründlich wie die deutsche Gesetzgebung ist,
hat sie für genau den Fall des Grundgesetz-Artikels 9, 2 schon ein Ausführungsgesetz
vorgesehen: Im Paragraph 14 des Vereinsgesetztes gibt es einen Abschnitt über
Ausländervereine, die "über die in Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes
genannten Gründe hinaus unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 verboten
werden" können. Das Instrumentarium existiert. Man kann den DİTİB
verbieten. Man muss nur wollen.
Wollen will die Merkel nicht. Um
ihren schmutzigen Flüchtlingsdeal zu retten, hat sie schon am Beleidigungsparagraphen
herumgeschraubt, hat sich von inszenierten Kindern in einem türkischen
Flüchtlingslager bejubeln lassen und ist dabei, den nächsten Schritt
zur internationalen Anerkennung der Erdoğan-Diktatur zu tun. Frei nach Chamberlain:
Wenn die Deutschen weiter zu Hause bleiben, werden sie bald nicht mehr ruhig
schlafen können.