Fragen Sie fünf SPÖ-Funktionäre in Österreich, wofür
die Partei politisch eigentlich stehe, bekommen Sie mindestens sieben verschiedene
Antworten: von der Koalitionsfrage mit der FPÖ bis hin zur Frage der Integration.
Die SPÖ hat sich ideologisch zu einer "Partei ohne Eigenschaften"
entwickelt, die die sozialdemokratischen Grundwerte in den vergangenen Jahren
sukzessive auf dem Koalitionsaltar mit der ÖVP opfern musste.
Gerade
eben scheiterte die Kanzlerpartei mit einem sozialdemokratischen Klassiker wie
der Mietrechtsreform am Widerstand der ÖVP, wieder einmal. Auch wenn sich
der neue SP-Parteivorsitzende zumindest rhetorisch bemüht, an sozialdemokratische
Paradigmen anzuschließen (Wertschöpfungsabgabe), so bleibt der Verlust
der Glaubwürdigkeit ebenso hoch wie der Verrat an den Grundwerten der Sozialdemokratie.
Die
drei Pfeile, die den ideologischen Kampf der Sozialdemokraten gegen Faschismus,
Kapitalismus und Klerikalismus symbolisieren, sind stumpf geworden. Wenn man
diese drei ideologischen Werte konsequent ins 21. Jahrhundert vorwärtsdenkt,
dann wird das Versagen der Sozialdemokratie insbesondere im aktuellen Diskurs
rund um das Verhältnis zwischen SPÖ und dem Islam sichtbar.
Antiklerikalen
Pfad verlassen
Die SPÖ hat sich mit der Kirche in Österreich
immer bestens arrangiert, und schon früh verließen die politisch
Verantwortlichen den antiklerikalen Pfad, oftmals aus politischem Kalkül.
So konnte sich Österreich auch nie zu einer echten laizistischen Demokratie
entwickeln. Die in Österreich vorherrschende katholische Kirche büßte
ihren mächtigen Einfluss nur deswegen ein, weil eine Reihe von unglaublichen
Missbrauchsskandalen das System Kirche fast zum Einsturz brachte.
Die
katholische Kirche ist nach wie vor so intensiv mit sich selbst und ihrer Glaubwürdigkeit
beschäftigt, sodass ihr Einfluss auf die Gesellschaft enorm zurückgegangen
ist. Die aktuellen Kirchenvertreter treten derart demütig in der Öffentlichkeit
auf, dass diese sogar bei hartgesottenen Atheisten ein gewisses Maß an
Mitleid auslösen. Die Politik und im Speziellen die Sozialdemokratie
verabsäumen es, die Trennung zwischen Kirche und Staat klar zu definieren,
um diese auch zu leben. Das könnte sich nun rächen.
Islamkritik
wurde tabuisiert
Mit der rasanten Zunahme der Muslime in Österreich
von 160.000 im Jahr 1991 auf knapp 600.000 im Jahr 2015 wächst eine Glaubensgemeinschaft
heran, die teilweise andere Ansprüche mitbringt, was die Säkularisierung
betrifft. Die Aufregung rund um die islamischen Kindergärten zeigt eindrucksvoll
die naive Blauäugigkeit der politisch Verantwortlichen auf, und man wird
sehen, ob die Sozialdemokratie die richtigen Lehren daraus zieht.
Jahrelang
wurde die Kritik am Islam innerhalb der Linken in der SPÖ groteskerweise
tabuisiert, und ein Diskurs darüber wurde verunmöglicht. Beunruhigend
ist aber auch das generelle Stillschweigen der SPÖ gegenüber verschiedenen
islamischen reaktionären Gruppen und eigenen Funktionären, die ganz
offen für Erdoğan und dessen reaktionäre AKP in Österreich demonstrieren.
Während
alle anderen Parteien, sogar die Grünen mit Peter Pilz und Efgani Dönmez
dieses Problem aufzeigen und ganz scharf kritisieren, zaudert die SPÖ mit
klaren Ansagen in den eigenen Reihen. Bundeskanzler Christian Kern hat gegenüber
der Türkei bewiesen, dass er zu diesen notwendigen klaren Aussagen durchaus
im Stande ist. Nun erwarten viele in der SPÖ, dass er diese Klarheit
in seiner Funktion als SPÖ-Vorsitzender auch in der eigenen Partei umsetzt
und somit ein Stück sozialdemokratische Glaubwürdigkeit wiederherstellt.