Immer wieder kommt in Kommentaren zur AfD die vorwurfsvolle Wendung vor: "Dabei gibt es dort kaum Ausländer..." Zuletzt nach den Wahlen in Meck-Pomm, wo der Ausländeranteil bei unter 3% liegt.
Zum einen wollen die Urheber mit Sicherheit nicht vermitteln, dass Fremdenfeindlichkeit
dort gerechtfertigt oder verständlich sei, wo es viele Ausländer gibt.
Zum anderen muss man für die Teilnahme an politischen Debatten keine Zugangsberechtigung
in Form persönlicher Betroffenheit erwerben. Man darf auch über das
Für und Wider von Windkraft diskutieren, wenn man keinen Schlagschatten
eines Windrades auf dem eigenen Haus hat.
Vor allem aber ist diese
Argumentation der Versuch, die Wähler als hirnlose Dummköpfe darzustellen,
die nicht verstehen, wofür sie stimmen. Das allerdings kann für
keine Wählerklientel ganz ausgeschlossen werden und muss somit als Argument
entfallen.
Vielleicht haben AfD-Wähler schlichtweg eine andere Vorstellung
von der Gesellschaft, in der sie leben wollen, als die Kommentatoren. Das aber
ist, solange es nicht in eine aggressiv-kämpferische Ablehnung des Grundgesetzes
umschlägt, durchaus zulässig. Auch die Grünen und die Linken
setzen sich für eine "andere Gesellschaft" ein.
Politik
fußt im Wesentlichen auf zwei Säulen: Einer möglichst realistischen
Einschätzung dessen, was ist, und einer jeweils individuellen Vorstellung
darüber, was sein sollte. Über letzteres lässt sich streiten.
Im Falle der anhaltenden AfD-Erfolge liegt aber auch die Vermutung nahe, dass
viele Menschen die reale Politik anders bewerten als die Akteure und Kommentatoren
selbst. Nur eine Infragestellung der eigenen Wahrnehmung kommt bei beiden Gruppen
in diesen Tagen offenbar nicht in Betracht. Hier sollten Wahlen in einer Demokratie
auf die kognitiven Sprünge helfen.
Wer also damit argumentiert,
AfD-Wähler, Pegidisten und Ablehner der bunten Gesellschaft müssten
mehr Kontakt zu Fremden haben, um ihr Weltbild geradezurücken, verfolgt
im Grunde nichts anderes als einen Umerziehungsansatz nach dem Motto: Was
muss getan werden, damit die anderen meine Meinung übernehmen, denn nur
die ist die richtige.