Mit Spannung erwartet und sehr kontrovers diskutiert, kam heute endlich das "salomonische" Urteil des BVerfG (13.10.). Dazu der Kommentar von Georg Korfmacher. (Bild: ein Erklärungsversuch für CETA & TTIP von janeb, pixabay).
Das BVerfG hatte am 13. Oktober 2016 über Anträge auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden, die den Stopp des
CETA-Verfahrens zu seiner Einführung bewirken sollten. Bei seiner
Interessenabwägung bezüglich der Folgen eines solchen Stopp kam das
Gericht zu einer wahrhaft salomonischen Entscheidung: einstweilige
Anordnung nein, aber Auflagen genau im Sinne der Antragsteller.
Die Bundesregierung muss nämlich bei einem vorläufigen Inkrafttreten von CETA sicherstellen,
dass ein Ratsbeschluss [der EU] über die vorläufige Anwendung nur die
Bereiche von CETA umfassen wird, die unstreitig in der Zuständigkeit
der Europäischen Union liegen,
dass bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der
Hauptsache eine hinreichende demokratische Rückbindung der im Gemischten
CETA-Ausschuss gefassten Beschlüsse gewährleistet ist und
dass die Auslegung des Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA eine
einseitige Beendigung der vorläufigen Anwendung durch Deutschland
ermöglicht.
Obwohl die Pressemitteilung des BVerfG nüchtern meldet: "Eilanträge in
Sachen CETA erfolglos", sind genau diese drei Punkte die Kernanliegen
der Antragsteller.
Pkt.1 bedeutet nämlich, dass die angestrebte internationale
Schiedsgerichtsbarkeit ausgeschlossen ist. Die einzelnen Streitpunkte
dazu werden dann im Hauptsacheverfahren diskutiert und entschieden.
Pkt.2 bedeutet den Tod für willkürliche und undemokratische Tätigkeiten
und Entscheidungen des höchst umstrittenen "Gemischten Ausschusses" und
Pkt.3 schließlich bedeutet, dass die BRD jederzeit aus der "vorläufigen
Anwendung" von CETA aussteigen kann. In diesem Zusammenhang fiel gar die
Forderung "unverzüglich".
Und so können sich schlussendlich alle Streitparteien auf die Schulter
klopfen. Die Bundesregierung, weil sie formal die Einstweilige Anordnung
zu Fall gebracht hat, und die vier Klageparteien, allen voran die
streitbare Flötenspielerin aus Lüdenscheid, weil das BVerfG der
Bundesregierung genau jene Auflagen gemacht hat, um die es den
Klageparteien ging. So können sich nach der Entscheidung des BVerfG alle
freuen. Erfreulich vor allem, dass unsere Demokratie stark genug ist,
Probleme konstruktiv zu lösen. Hoch lebe die Gewaltenteilung.
Link zur Seite von Georg Korfmacher
Dasselbe Thema im Kommentar von Heribert Prantl ergänzt einen wichtigen Punkt, siehe Freihandelsabkommen – Die Bedenken gegen Ceta sind hysterisch? Von wegen!
(Süddeutsche Zeitung 12.10.). Der Autor nennt es einen Profi-Fehler,
wenn originär parlamentarische Aufgaben auf ein Expertengremium
übertragen würden. Denn auch beim klassischen Outsourcing in
Wirtschaftsunternehmen dürfen nur sekundäre Aufgabenfelder ausgelagert
werden, sodass das Unternehmen sich aufs Kerngeschäft konzentrieren
kann. In der Demokratie ist das Kerngeschäft aber die Entscheidung
grundsätzlicher Fragen vom Parlament. Solche Entscheidungen kann und
darf man deshalb nicht auslagern.