Dem Ödipuskomplex liegt nicht, wie Freud annahm, ein
Vater-Sohn-Konflikt, sondern ein Gläubiger-Gott-Konflikt zugrunde – und
damit ein klassisches Sacco-Syndrom mit seiner Angst vor jenseitigen
Strafen. Ödipus fürchtete nach eigener Aussage die Strafe der Götter
wegen Tötung des Vaters und Inzestes mit seiner Mutter Iokaste. Er
fürchtete nicht, wie Freud lehrte, seinen Vater Laios oder gar die
Kastration durch seinen Vater.
Wenn wir in die Originalarbeit des Sophokles, geb. 498 v. Chr.,
schauen, wird uns der Gott-Gläubiger Konflikt deutlich: Der Chor
singt: "Du Voreiliger. Wie konntest du dein Augenlicht so grimm
verlöschen!“ Ödipus hatte sich ja die Augen mit Nadeln aus dem Gewand
seiner toten Mutter und Ehefrau ausgestochen. Diese hatte sich
masochistisch erhängt. „Welcher Gott verstörte Dich?", singt der Chor.
Darauf Ödipus: "Nun bin ich gottverhasst, einer Befleckten Sohn"… "Bin
ich doch ganz verhasst den Göttern." Also noch einmal: Hier geht es
nicht um Kastrationsangst, sondern um Höllenangst. Freud ist an dieser
so immens wichtigen Stelle von einem Internisten widerlegt. Er konnte
aufgrund eines eigenen Sacco Syndroms nicht transzendental denken.
Freuds „Sünde“: Er hatte Jahwe ermordet. Wie? Mit seinem bekanntesten
Satz: „Religion ist Wahn“. Seine Angst übertrug Freud auf Generationen
von Analytikern, Psychologen und Psychiatern.
Die Rache-Göttinnen sind es selbst, die Ödipus letztlich versöhnlich in
ihren Hain aufnehmen. Sie sind nach der Sage durch das Opfer des
Ödipus "versöhnt". Ödipus ruft es aus: " Erhabene…, zeigt euch
versöhnlich mit mir". "Die Götter sind versöhnt", schreibt Heinz
Politzer in "Ödipus auf Kolonos". Ödipus ist geheilt. Er hat sich selbst
geheilt. Wie? Über seinen berühmt gewordenen Augen-Masochismus.
Der gleiche Masochismus ist heute in der sog. "endogenen" Depression
verborgen. Der heute an Gottangst Erkrankte reißt sich nicht die Augen
aus. Es ist nicht mehr Mode. Heute gönnt man sich nicht seine
Fröhlichkeit. Man bringt Gott nicht sein Augenlicht, sondern als
Depressiver seine Fröhlichkeit auf den Opfertisch. Der Witz ist nun
Folgender: Es gab Zeus ja gar nicht. Also brauchte es auch kein Opfer,
ihn sanftmütig zu stimmen. Und der Witz heute? Es gibt ja gar keinen im
Jenseits strafenden Gott. Der ist nach Bischof Nikolaus Schneider,
früher Chef der EKD, eine Erfindung, ein "Geschäft" seiner Kirche zum
Geldverdienen. Kindern Angst zu machen, ist Schneiders einträgliches
"Geschäft". Gewisse Sünder, schreibt Schneider, kämen nach einem
Richterspruch Jeus in das ewige Feuer. Auch schreibt der Kirchenmann
Hans-Werner Deppe: Unter Jesus, in Jesu Hölle, sei es "schlimmer als
unter Hitler". Kinder könnten dort froh sein um jedes "nicht brennende
Körperteil". Das ist nach § 241 StGB illegale Bedrohung. Es ist
Terrorismus. Und der ist strafbar, denn er produziert, wie uns die Sage
lehrt, als Innenaggression zweierlei: Masochismus und Erhängte – und wie
ich lehre, auch Schizophrene, Autisten, Hyperaktive und Süchtige.
Hoffen wir, dass die Psychiatrie ihre Angst überwindet und beginnt,
Religion als das wahrzunehmen, was sie ist: illegaler Terror.