Erdogan, der Osmanensultan droht dem Abendland

Seinerzeit gab es für Europa viel Schlimmes. Die Herrschaft der katholischen Kirche, die Hunnenkriege, die Awareneinfälle und das Osmanische Reich, das versuchte, Europa zu unterwerfen, was bekanntlich zweimal vor Wien scheiterte. Das Osmanische Reich ging nach dem 1. Weltkrieg unter, der Reformer Mustafa Kemal gründete die neue Türkei, für seine Errettung des Landes als säkulare Republik wurde ihm der Namenszusatz "Atatürk" - "Vater der Türken" verliehen.

Atatürk ist 1938 verstorben, sein Staatssystem, der als Kemalismus in die Geschichte einging, orientierte sich an der europäischen Aufklärung, die Gesetze der türkischen Republik waren nach Vorbildern in Frankreich und der Schweiz ausgerichtet. Die Islamreligion wurde unter staatliche Verwaltung gestellt, das als religiöse Uniformierung geltende Kopftuch wurde ebenso verboten wie das damals übliche männliche Gegenstück, der Fez und auch andere islamtraditionelle Kleidungsstücke. Die Sicherung seiner Reformen wollte Atatürk durch das Militär erreichen, dort wurden nur geeichte Kemalisten aufgenommen.

Den Reformen Atatürks blieb der durchschlagende Erfolg verwehrt, in den traditionellen ländlichen Strukturen blieb viel altes Denken und Tun erhalten, zwar war in den Zwanzigerjahren die allgemeine Schulpflicht eingeführt worden, der Unterricht war bisher freiwillig und nur in Religionsschulen möglich gewesen, geschrieben wurde in arabischer Schrift, die nun durch die Lateinschrift ersetzt wurde. Allerdings herrschte noch lange Zeit Schulmangel, erst in den Achtzigerjahren war eine allgemeine Schulpflicht überall möglich, diese war allerdings bis 1997 auf fünf Jahre beschränkt gewesen, weiterführende Schulen besuchten vorher nur rund zehn Prozent. Bildungstraditionen zu etablieren, ist nicht vollbracht worden.

Erdogan hat sich nun offenbar das Ziel gesetzt, den Kemalismus zu beseitigen. Das Schulwesen wird entstaatlicht und islamisiert, das staatliche Religionsamt verwaltet und kontrolliert nun den Islam nicht mehr, sondern hat für die Islamisierung des Landes zu sorgen.

Um seine osmanisch-islamischen Pläne zu verwirklichen, kann Erdogan ein demokratisches System nicht brauchen, er ist darum dabei, die Türkei in eine auf seine Person eingerichtete Diktatur umzubauen.
Der (angebliche?) Putschversuch vom 15. Juli 2016 führte zur Verhängung des Ausnahmezustandes, der Staatspräsident Erdogan erhielt das Recht, mit Dekreten zu regieren. Dieses Recht will er nun überhaupt haben, am 16.4.2017 gibt es dazu eine Volksabstimmung, wenn die notwendige qualifizierte dreifünftel Mehrheit erreicht wird, hat Erdogan dieselbe Machtposition, die Hitler im März 1033 mittels des "Ermächtigungsgesetzes" erhielt: "Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden. (..) Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze können von der Reichsverfassung abweichen". Es ging dann sehr rasch, dass aus der im Jänner 1933 eingerichteten Regierungskoalition die Minister der Koalitionspartei (Deutschnationale Volkspartei) und parteilose Miniester entfernt wurden und Hitler defakto alleine der Gesetzgeber war.

Die in Europa lebenden Türken sollen nun an der Abstimmung teilnehmen und für die Allmacht des Erdogan stimmen. Was in Europa auf Widerstand stößt, Erdogan reagierte zornbebend mit wüsten Beschimpfungen und wilden Drohungen. Was ihm wahrscheinlich bei der Volksabstimmung helfen wird, denn sowas fördert das nationalistische Gemeinschaftsgefühl, nach dem Motto, wir Türken lassen uns von den Europäern nichts verbieten.

Welche Propagandamittel Erdogan jetzt für seine Pläne einsetzt, war auch in Europa vernehmbar, in türkischen Einrichtungen wird z.B. ein Film über den jungen Erdogan vorgeführt, der u.a. auch seine Parolen aus den Neunzigerjahren zeigt:








Das vollständige Zitat: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten." Geäußert hat Erdogan das auf einer Wahlkampfveranstaltung im Jahre 1998.

Das ist durchaus ernstzunehmen, damals hatte Erdogan allerdings damit noch keinen Erfolg, diese militante islamistische Hetze führte zu seiner Festnahme, er wurde "wegen Aufstachelung zur Feindschaft auf Grund von Klasse, Rasse, Religion, Sekte oder regionalen Unterschieden" zu einer Haftstrafe von zehn Monaten und lebenslangem Politikverbot verurteilt. Er saß davon vier Monate ab, 2002 wurde durch eine Gesetzesänderung das Politverbot hinfällig und Erdogan konnte mit der neu gegründeten "Gerechtigkeits- und Aufschwungpartei" (Adalet ve Kalkınma Partisi - AKP) einen Wahlsieg (stärkste Partei mit 34,3 %) erringen, im März 2003 wurde Recep Tayyip Erdoğan türkischer Ministerpräsident.

Und seither gilt: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten."

Und ab 17.4.2017 ist zu befürchten, dass er seine neue Allmacht bei jeder Gelegenheit all seinen echten und vermeintlichen Feinden vorführen wird. Es wird ihm allerdings damit wohl auch gelingen, die Türkei zunehmend zu schädigen und zu isolieren, den Tourismus hat er praktisch schon abgeschafft, aber Erdogan ist trotzdem als Bedrohung wahrzunehmen...