Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen
ist mit seinen Äußerungen zum Kopftuch-Tragen auf viel Unmut gestoßen.
In einem offenen Brief wenden sich Frauen aus islamisch geprägten
Ländern an ihn und fordern ein Treffen, um ihre Position darzulegen.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident Van der Bellen,
wir Menschenrechtsaktivistinnen, die aus islamischen Kulturkreisen
kommen, mussten aus diesen fliehen, weil unser Leben bedroht war
und weil wir den religiösen Zwang, die Unterdrückung und die Gewalt als
Frauen nicht mehr ertragen konnten. Wir sind über Ihre in unseren Augen
naiven Aussagen bezüglich des Kopftuchs und des politischen Islam
entrüstet.
Unsere Arbeit sowie unsere persönlichen Geschichten dürften Ihnen als Politiker bekannt sein. Wir sind aus Saudi-Arabien, Iran, Irak, Pakistan, Afghanistan, Algerien, Mazedonien und selbst aus muslimischen Familien in Europa geflohen.
Viele von uns mussten unter dem gesetzlich verordneten Kopftuchzwang
leben, andere unter dem Druck, dass das Kopftuch das Symbol für eine
ehrbare und sittliche Frau ist. Daraus haben wir uns unter
lebensbedrohlichen Umständen herausgekämpft.
Wir wissen leider zu gut, was es heißt, in diesen Kulturkreisen als
Frauen hineingeboren zu werden und unter diesen frauenfeindlichen
Umständen aufzuwachsen. Daher haben wir es zu unserer Lebensaufgabe
gemacht, den Millionen Frauen auf der ganzen Welt, die in diesen Kreisen
gefangen sind und darunter leiden, eine Stimme zu geben und auf ihr
Leid aufmerksam zu machen.
Sie missbrauchen die Kraft Ihres Amtes, indem Sie das Kopftuch als
ein Symbol der Freiheit darstellen, obwohl es für
Geschlechter-Apartheid, Unterdrückung, Zwang und die Trennung zwischen
einer sittlichen ehrbaren Frau und einer Hure steht? Sie gehen sogar so
weit uns westlichen, freien Frauen darum zu bitten, uns aus Solidarität
gegen die sogenannte Islamophobie und den vermeintlichen Rassismus zu
entweiblichen?
Dieser Kulturrelativismus, dieser pure Sexismus, den Ihre Aussagen bedeuten, ist für uns unerträglich.
In dem Video gibt es genau zwei – mehr als naive – Aussagen von Ihnen:
1.
"Wenn es so weitergeht (…) bei der tatsächlich um sich
greifenden Islamophobie, wird noch der Tag kommen, an dem wir alle
Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen – alle – aus Solidarität
gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun."
2.
"Es ist das Recht der Frau - tragen Männer auch Kopftücher? Es ist das Recht der Frau wie auch immer sie möchte."
Herr Bundespräsident, gehen Sie in sich. Denken Sie über Ihre
Aussagen nochmals nach. Wir sehen die dringende Notwendigkeit einer
Zusammenkunft mit Ihnen, in dem wir Ihnen genau berichten können, was es
bedeutet als Frau in diesen Kulturkreisen zu leben.
Wir geben Millionen von Frauen eine Stimme, die keine Stimme in der Öffentlichkeit haben,
so wie wir die Errungenschaften der Frauenbewegung und den Urfeminismus
schützen, der unverzichtbar für die heutige Demokratie, unsere
westlichen Werte und Gesetze ist.
Sie nehmen sich die Zeit, um die Stimmen der Menschen zu hören, die
unter der angeblichen "Islamophobie" leiden. Nun fordern WIR, die
Stimmen von Millionen von Frauen und auch Männern, die unter dem
politischen patriarchalischen Islam gelitten haben und bis heute
tagtäglich leiden, Ihre Aufmerksamkeit ein. Dies sind Sie nach Ihren
öffentlichen Aussagen Millionen Menschen schuldig.
Wir denken, dass es auch in Ihrem Interesse liegt, auf Leid, Zwang
und Unterdrückung aufmerksam zu machen und alle beteiligten Seiten
anzuhören, sowie es in Ihrem Interesse liegt, den rechten Hetzern das Feld nicht zu überlassen. Daher sind wir in guter Hoffnung, dass ein Treffen zwischen Ihnen und uns schnellstmöglich durchführbar ist.
Mina Ahadi (Iran)
Nazanin Borumand (Iran)
Zana Ramadani (Mazedonien)
Kenza Boukhelida-Andresen (Algerien)
Worood Zuhair (Iraq)
Rasha Bamatraf (Yemen)
Naila Chikhi (Algerien)
Fereshte Attaie ( Afganistan)
(hinter unseren Namen befinden sich unsere Herkunftsländer)