Oliver
Maria Schmitt - Foto: © Bernhard Ludewig
Oliver Maria Schmitt war Chef des legendären Satiremagazins 'Titanic' und ist Autor nicht minder legendärer Reisereportagen ('Ich bin dann mal Ertugrul', Rowohlt). Im Interview spricht er über die intime Beziehung von Glaube und Satire, fühlt sich von der Zumutung 'religiöser Gefühle' verletzt - und schlägt einen unwiderstehlichen Dachschmuck für das Berliner Stadtschloss vor.
hpd: Lieber Herr Schmitt, nach dem Massaker unter Ihren Kollegen
von 'Charlie Hebdo' haben Sie als einer der wenigen öffentlich gefordert,
Religionen prinzipiell und grundsätzlich zu kritisieren. Warum denn eigentlich?
Oliver
Maria Schmitt: Weil wir gerade frohgemut in ein Zeitalter der Gegenaufklärung
hineinschlittern. Kreationisten in den USA, die Türkei streicht die Evolution
aus dem Lehrplan, Islamismus und 'alternative Fakten' allenthalben, da scheint
der Weltgeist sich auf unbestimmte Zeit in den Urlaub verabschieden zu wollen.
Nach dem zäh erkämpften 'Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten
Unmündigkeit', also der Aufklärung, wie sie Kant einst formulierte,
sollte man sich ohne Not nicht noch dümmer und unmündiger machen als
man eh schon ist.
Religionen sind doch nicht dasselbe wie gewaltbereiter
Fundamentalismus. Religionen bringen Menschen zusammen, schaffen Gemeinschaftserlebnis,
helfen Kranken, Verzweifelten und Sterbenden. Und Sie finden trotzdem, dass
das attackiert werden muss?
Wenn die Attacke mit Worten, Witzen und Pointen
geritten wird, auf jeden Fall.
Muss man nicht aber Rücksicht
nehmen auf die religiösen Gefühle der Menschen?
Und wie! Im
Zusammenhang mit religionskritischer Satire hört man ja immer wieder den
unsinnigen Vorwurf: 'Aber damit verletzt ihr doch die religiösen Gefühle
anderer.' Ich frage mich: Was soll denn das sein, ein 'religiöses Gefühl'?
Ist es weniger wert als das Gefühl, von religiösen Fanatikern bevormundet,
belogen, verletzt und für dumm verkauft zu werden? Ist das Gefühl
eines aufgeklärten Geistes weniger Wert als das Gefühl eines religiösen
Einfaltspinsels? Es ist aufklärerische Menschenpflicht, jede Religion immer
und überall zu kritisieren.
Glauben Sie denn nicht, dass man
gleichzeitig gläubig und aufgeklärt sein kann?
Lassen Sie bitte
meinen Glauben aus dem Spiel!
Kennen Sie Satiriker, die religiös
sind? Oder ist das ein Widerspruch in sich?
So ist es.
Welche
Religion würden Sie denn am meisten kritisieren wollen, oder sind die alle
gleich?
Als Satiriker bin ich strikt zur Neutralität verpflichtet,
das heißt: Jede Religion hat das gleiche unveräußerliche Recht
auf Verarschung, wenn nicht sogar Verachtung. Dass in unserem westlichen Kulturkreis
das Christentum dann etwas häufiger dran ist als etwa der Islam oder der
Daoismus, das hat rein praktische Gründe.
Was ist mit Buddhismus,
ist der nicht irgendwie okay?
Buddhismus, vor allem wenn er von westlichen
Prominenten vereinnahmt und propagiert wird, scheint mir so eine Art kuschliger
Wohlfühlreligion zu sein, Religion light sozusagen. Da kann man’s auch
gleich ganz bleiben lassen.
Wenn man den Menschen die Religion nehmen
würde, was könnte man ihnen ersatzweise geben?
Geld, Sex, Drogen
und jede Menge Bildung. Aber dafür ist Gott wohl mal wieder zu geizig.
Einige
große Männer der Geschichte sind ohne ihren Glauben gar nicht vorstellbar,
etwa Martin Luther King. Wollen Sie auf den verzichten und auf den Antrieb,
den die Religion ihm gegeben hat?
Ich sehe den großen Martin Luther
King vor allem als Menschenrechtsaktivisten, der gegen die – übrigens von
gläubigen weißen Protestanten zementierte – Rassendiskriminierung
eingestanden ist. Dass ihm sein Glaube dabei viel Kraft gegeben hat, sei ihm
unbenommen. Der amerikanische Essayist James Baldwin, ein Freund Kings, sagte
mal, dass die amerikanische Rassentrennung nirgends deutlicher zu sehen sei
als am Sonntagvormittag beim christlichen Gottesdienst, wenn Schwarz und Weiß
in ihren jeweils eigenen Gemeinden zum gleichen Gott beten.
Okay,
und wenn jetzt jemand privat an Gott glaubt, einfach so, ohne andere damit zu
behelligen, ohne Kinder zu indoktrinieren, ohne Leute zu ermorden, und ohne
sonntags Lärm mit Glocken zu machen, finden Sie das immer noch kritisierbar?
Privat
soll doch jeder glauben, was er möchte und nach seiner Façon selig
werden. So lange nicht missioniert, hassgepredigt und gehetzt wird.
Glauben
Sie, dass man als Papst noch an Gott glauben kann?
Schon wieder eine
Glaubensfrage! Wenn Sie so weitermachen, wird Gott Sie schwerstens strafen!
Nehmen
wir an, die Menschen wollen zu sehr glauben. Es ist ihnen nicht auszutreiben.
Wenn Sie eine vereinheitlichende, übergreifende Religion für die ganze
Welt entwerfen müssten, wie sähe die aus?
Würde man einen
synkretistischen Ansatz wählen, dann bestünde eine zukünftige
erfolgreiche Weltreligion wohl aus einem Gutteil Pastafarianismus, also dem
Glauben an das Fliegende Spaghettimonster, aus Fußball, aus Vegetariertum
und einem ordentlichen Schuss Buddhismus. Eigentlich eine grauenhafte Vorstellung.
Ich bin schon jetzt dagegen.
Auf das neue Betonschloss in Berlin soll
jetzt ein Kreuz kommen. Wegen unserer christlichen Prägung. Ist das nicht
irgendwie okay, so ein bisschen Traditionspflege? Oder hätten Sie einen
besseren Vorschlag?
Mir würde ein rosa Einhorn besser gefallen.
Das würde uns allen zu denken geben, und anbeten könnte man es bei
Bedarf auch noch.
Weil vorrätig, hier ein Einhorn aus atheisten-info-Beständen, allerdings
nicht rosa, sondern rot-grün gestreift: