Wo bleibt die öffentliche Diskussion der Studie Die „Flüchtlingskrise“ in den Medien (Otto Brenner Stiftung
OBS)? Die Analyse der Flüchtlingsberichterstattung äußert scharfe
Kritik an den Leit- und Mainstreammedien. Deren Berichterstattung sprach
der jornalistischen Sorgfaltspflicht Hohn, sie verzerrte die Sicht auf
die Willkommenskultur zu einer Polit-PR für die etablierten Parteien,
während sie den medialen Diskurs mit den hauptsächlich Betroffenen
hintertrieb, um rechte Denke niederzuhalten. Dieser Artikel referiert
die Inhalte der Studie und stellt die skandalösen Befunde deutlich
heraus.
Nicht dass die betroffenen Medien das Thema komplett unterdrückt hätten – die von der OBS namentlich genannte Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt brachten
Artikel dazu. Letztere gab sogar >700 Leserkommentare wieder, bloß
wurde das Thema auf den Sites schon versteckt, bevor es richtig
angekommen war. Das wurde in den Leserkommentaren eines parallelen Zeit-Artikels
bemängelt: Warum wurde der Artikel mit seinen >1000 Leserkommentaren
nicht n die Liste der meistkommenterten aufgenommen, obwohl er auf den
Spitzenplatz gehörte? Warum haben die anderen Sites die Artikel irgendwo
versteckt, so dass man sie erst googlen musste (oder bei wissenbloggt nachsehen)?
Über das Thema wurde schleunigst hinweggegangen, während andere Themen
immer wieder aufgewärmt werden, z.B. die Trump-"Russengeschichte" und
der Dieselskandal. In Anbetracht der Wichtigkeit hätte die
Flüchtlingskrise erheblich mehr öffentliche Resonanz verdient. Dabei ist
das Thema Migration aktuell wieder hochgekommen, nur eben ohne
Erwähnung der OBS-Studie und der journalistischen Verfehlungen. Eine
redaktionelle Diskussion fand nicht statt, jedenfalls nicht in den
Leitmedien. In denen wurde ein wenig bekrittelt, dass auch
Gastkommentare, die schon mal abweichende Standpunkte wiedergaben, der
Redaktion zugerechnet werden müssten. Die Studie hat sie aber zurecht
ignoriert, weil sich die Redaktionen ja von Leser- und
Kommentatormeinungen distanzieren.
Um gegen die herrschende Omerta bei der Medienkritik anzugehen, bringt
wissenbloggt die wichtigsten Punkte in eigener Wiedergabe. Sie dürfen
nicht wörtlich zitiert werden, weil die OBS anscheinend missbräuchliche
Zitate ihrer brisanten Aussagen verhindern möchte. Selbst für
wissenschaftliche Zwecke müsste vollständig und unverändert zitiert
werden, und außerhalb davon ist gar kein Zitat erlaubt. Bei wb werden
die Inhalte der Exzerpte mit Seitenangabe gebracht, so dass man die
Originalformulierungen nachlesen kann; hier nochmal der Link zur Studie.
Fachleute ignoriert: Bei den Zitaten von anderen Medien ließen die 3 Leitmedien SZ, FAZ, Welt vor
allem Journalisten, Medienakteure und Blogger zu Wort kommen. Sie
zitierten sich gegenseitig 10* häufiger als Fachleute und Experten. Die
Studie nennt es erstaunlich, dass in der laufenden Berichterstattung
über den vielschichtigen und heiklen Themenkomplex die Fachleute
weitgehend ausgespart blieben. Das ignorierte auch die jahrelange
intensive deutsche Islam- und Migrationsforschung (S. 35).
Andersdenkende ignoriert: Dabei ist die Bereitschaft,
Flüchtlinge aufzunehmen und willkommenzuheißen vor allem dort gering, wo
die Menschen das Gefühl von Benachteiligung, Perspektivlosigkeit
Missachtetwerden haben. Die Publizisten hätten erkennen können, wie
ausgrenzend das von den Eliten verfochtene Vielfaltsparadigma wirkte.
Das Multikulti-Dogma (Wortwahl wb) grenzte diejenigen aus, die sich als
Zukurzgekommene und Missachtete fühlen. (S.56, Anmerkung wb: Sie fühlen sich ja nicht nur so, viele sind es.
Und auch außerhalb der prekären Schichten gibt es viele Menschen, die
anders denken, und die in einer Demokratie gehört werden müssen).
Parlamente ignorant: In den Länderparlamenten
"überboten" sich Abgeordnete aller Parteien mit Kritik an
unzureichendener Willkommenskultur. Die Autoren der Studie sahen die
Parlamentsberichterstattung durch, mit der Feststellung: Das von der
Migrationsforschung gut durchleuchtete, d.h. erkannte, Problem der
verbreiteten Fremdenfeindlichkeit wurde dort tabuisiert. Die
Volksvertreter hätten nicht über die Ursachen von Ressentiments und
Feindseligkeit in der deutschen Gesellschaft gesprochen, sondern bloß
über Maßnahmen, die auf die "Bleibebereitschaft der Zuwanderer" in der
Arbeitswelt zielten (S.60).
"Hochqualifizierte Zuwanderer“: 2011 gab es eine von
der Wirtschaft gewollte "Zwecksetzung". Demnach sollte die neue
Willkommenskultur Deutschland insbesondere für hochqualifizierte
Zuwanderer attaktiv machen. Bis 2013 wurde der "Begründungszusammenhang"
verändert, und diese utilitäre Zwecksetzung wurde zugunsten einer
normativen Rechtfertigung aufgegeben, die auf das Gesellschaftsganze
bezogen argumentierte. Dieser Begründungswandel kann als
Strategiewechsel gedeutet werden (S.71+72).
Mehr Strategiewechsel: Die Berliner Regierungsparteien
waren willfährig, indem sie sich die Begehren der Industrie- und
Arbeitgeberverbände zu eigen machten. Wege wurden gesucht, um
Deutschland für hochqualifizierte Zuwanderer attraktiver zu machen, und
dazu gab es einen Slogan der Wirtschaftsvertreter: Etablierung einer neuen Willkommenskultur.
2014 wurde dieses "Willkommenskultur-Paradigma" auf asylsuchende
Flüchtlinge ausgedehnt. Es wurde zum Anliegen der Bürgergesellschaft
erklärt, incl. Druck auf moralische Mithilfe-Verpflichtungen von freien
Trägern, ehrenamtlich Tätigen und zivilgesellschaftlich engagierten
Gruppen. Im öffentlichen Diskurs fiel auf, dass sich die Politikakteure
meist "rhetorisch aufgeladener Formeln und Phrasen" bedienten, z.B. wir brauchen … Das erweckte den Anschein, die "malade Willkommenskultur" könnte "sozusagen deklamatorisch" saniert werden (S.79).
Euphemistisches Stimmungsbild: Auf der regionalen und
lokalen Ebene wurde über Akteure und Protagonisten und ihre Tätigkeit
berichtet, bzw. sie kamen selber zu Wort. Diese Zeitungsberichte
vermittelten ein mit "Euphemismen eingekleidetes Stimmungsbild". Wenn
kritische Äußerungen wiedergegeben wurden, dann gegen die Bürokratie,
vor allem gegen die Ausländerbehörden – aber nicht zum Thema
Willkommenskultur. Nur 1,9% der Artikel referierten
Willkommenskultur-kritische Äußerungen von Vertretern des rechten
Politspektrums (S.99+100).
Ignorante Willkommenskultur: Aus der Sicht des
neutralen Beobachters blendete die Willkommenskultur einiges aus, so
dass sie als naiv erschien. Sie fragte z.B. nicht nach den Grenzen der
Belastbarkeit, sie stellte sich nicht den Problemen der
Verteilungsgerechtigkeit (schließlich sind es die ohnehin
benachteiligten Sozialhilfeempfänger, die mit den Einwanderern um die
Etats der staatlichen Wohlfahrt konkurrieren), und sie übertrug das
Ideal der Gastfreundschaft auf die dauerhafte Unterbringung von Fremden
(wo doch Migranten keine Gäste auf Besuch sind). In einer Welt voller
Geiz, Besitzstandswahrung, Ignoranz, Wegsehen und Verhärtung überzeugte
die Moralität des Willkommens dennoch. Es ist aller Ehren wert, dem
Kleinmut durch aktive Mitmenschlichkeit ein Ende zu bereiten
(Formulierung Neue Zürcher Zeitung 25.9.15). Dagegen machten
Meinungsumfragen genauso wie die hohen Stimmanteile der AfD bei den
Landtagswahlen deutlich, wie verbreitet die gegenteilige Meinung war.
Unbehagen, Skepsis und kritische Einstellungen zur
"Willkommenskulturkampagne" waren schon vor den Ereignissen des Sommers
2015 weit verbreitet und wurden von der Mehrheit auch so empfunden (S.
102).
Rassistische Hasstiraden: Im Internet äußerten sich
die Gegner pöbelnd. Rassistische Hasstiraden wurden zahlreicher,
unverfrorener und oft sogar persönlich incl. Klarnamen. Es ging nun
darum, diesen Leuten zu sagen, sie wären eine kleine Minderheit. Die
Mehrheit, das sind wir. Die Mehrheit seien die
fremdenfreundlichen und hilfsbereiten Bürger. Gegen die von Hasstiraden
überquellenden Blogs und Kommentarspalten gab es in den Mainstreammedien
eine Menge Willkommen!-Artikel und viele weitere entsprechende
Aufmacher, Bilderstrecken und Kommentare (S. 103).
Diskurs abgebrochen: An diesem Punkt wurde der
gesellschaftliche Diskurs abgebrochen. Aus der Sicht der Medienmacher
war das den Wütenden anzulasten, die sich als Missachtete und
Übergangene sehen. Nach den Befunden der Studie ist aber eine andere
Sicht genauso erlaubt, nämlich dass der Abbruch von den
meinungsführenden Medien befördert wurde. Das sei quasi stillschweigend
erfolgt, durch Ausgrenzung von Menschen mit abweichenden Meinungen und
Ängsten. Die wurden ausgegrenzt, weil man sie zur "dunklen Welt der
Fremdenfeindlichen" zählte, und ihnen wurde pauschal unterstellt, sie
würden Gewalt gegen Asylsuchende billigend in Kauf nehmen (S. 104, das ist ein schwerer Diffamierungs-Vorwurf, wb).
Ausgrenzende Schuldzuweisung: Das "Meinungsklima"
wurde durch die von der Tagespresse vermittelte
Willkommenskultur-Euphorie erzeugt – und das kann als wirksame
Bekräftigung der ausgrenzenden Schuldzuweisung gedeutet werden. Die
rhetorischen Fragen dazu:
1.
Wurden anlässlich der verschiedenen meinungsprägenden Großereignisse
in den 3 Leitmedien die Sorgen, Nöte und Ängste derjenigen thematisiert,
die sich der Willkommenskultur-Euphorie nicht anschließen mochten?
2.
Haben die 3 Leitmedien die Probleme, Einwände und Vorbehalte
aufgegriffen und aktiv Beteiligten, Experten und Fachleuten dazu das
Wort erteilt?
3.
Kam es anlässlich der Großereignisse zu einer öffentlich ausgetragenen
Debatte, an der sich die verschiedenen Lager und Gruppen beteiligt
haben? (S. 104, die Antwort ist 3* Nein, wb.)
Mediale Gleichschaltung: Der Berichterstattung der
einflussstarken Leitmedien wurde von der Studie eine "konsonante
Berichterstattung" nachgewiesen, d.h. eine Bericherstattung, die dem
politischen System stets zugewandt war (S. 120).
Mediale Gleichschaltung II: Die Kommentatoren
vertreten unisono die flüchtlingspolitische Linie der Bundeskanzlerin
(Primat des Menschenrechts über Asylgesetzbestimmungen, keine
Obergrenze). Ebenso "konfirmieren" sie auch ihr politisches Handeln, von
der unkontrollierten Gernzöffnung bis zur Sicherung der EU-Außengrenzen
und bis zur zweiten 180-Grad-Kehre (wb) mit dem Türkei-Deal. Wenn es
einen diskursiven Umgang mit dem Thema gab, dann bloß in mehreren
Kommentaren der FAZ, wo Bedenken aufgegriffen und erörtert wurden (S.
123).
"Hochqualifizierte Zuwanderer“ II: Bis Ende 2015
verfochten die Wirtschaftsredakteure der 3 Zeitungen die
"opportunistische Doktrin", Deutschland sollte und müsste aus
wirtschaftlichen und demografischen Gründen möglichst viele Flüchtlinge
willkommenheißen, integrieren und ausbilden. Im Oktober sahen sich dann
zahllose Kommunen und deren freiwillige Helfer mit der Betreuung der
zugewiesenen Flüchtlinge überfordert. Das Behördenmanagement wurde als
chaotisch erlebt und stieß auf breite Kritik. Die damit einhergehende
Abwehrhaltung wurde von den Kommentatoren harsch kritisiert. Sie
belehrten die frustrierten und zweifelnden Bürger, Deutschland brauche
dringend Hunderttausende junger Flüchtlinge, u.a. als Maßnahme gegen die
Überalterung der einheimischen Bevölkerung (S 123, angesichts der Roboterdämmerung waren das klare Lügen, wb).
Euphemistische Kritik: Zugleich übten die politischen
Kommentatoren der 3 Qualitätszeitungen Kritik an der operativen Ebene
des Vollzugs. Sie setzten vorwiegend taktische Argumente gegen offenbare
Schwächen des Regierungshandelns ein, Missmanagement, Uneinigkeit,
Unentschlossenheit usw. 2/3 der Meinungstexte stellten die mit dem
Flüchtlingsstrom verbundenen Probleme aber als lösbar dar. Dazu
postulierten sie immer neue Handlungsempfehlungen und mahnten aktives
Entscheiden an (S. 124).
Mediale Gleichschaltung III: Die Studie stellt einen
durchgängigen Konsens der Medien mit der politischen Elite fest,
insbesondere mit der Bundeskanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik
(während ihrer ganzen 3600-Kehre, bis 2014 draußenhalten /
2015 reinlassen / ab 2016 wieder draußenhalten). Abweichende und aus
Sicht vieler Leser wohl aufschlussreichere Aspekte wurden in den
analysierten Kommentaren nicht thematisiert, Beispiele:
die Hilflosigkeit der Zuständigen bei der Beurteilung des Fluchtmotivs der Asylsuchenden aus kriegsverschonten Regionen
das fehlende Verständnis für die Ängste Einheimischer, zumal vieler Frauen
das Problem des behördlichen Missmanagements auf der regionalen Vollzugsebene
die Kritik an der Ahnungslosigkeit vieler Organisatoren bei Familien-
und Eherecht (etwa wie viele Ehefrauen darf ein Muslim zu sich
nachholen? Auch solche im Kindesalter?)
die Konflikte bei den rituellen Bräuchen zwischen schiitischen und
sunnitischen Muslimen und anderes mehr (S. 125/127, nicht erwähnt: die
Aufgabe von Hoheitsrechten an der demokratischen Zustimmung vorbei, wb).
Medien ignorant: Die Hochphase der
Auseinandersetzungen wurde einer kommentierenden Analyse kaum für wert
befunden. Dabei gab es allerhand zu sagen zwischen "willkommenheißenden
und helfend engagierten Akteuren der Bürgergesellschaft" und
"unterschiedlich schattierten Skeptikern und Kritikern". 2016 nach dem
"Silvesternachtdrama" fanden diejenigen keine Würdigung, die sich um die
Betroffenen kümmerten oder kümmern sollten. Dafür traten die Wort- und
Meinungsführer der politischen Elite um so häufiger als "Kombattanten
der Autoren" in Erscheinung. Als Ergebnis stellt die Studie fest, die
meinungsführenden Leitmedien haben sich nach Maßgabe der Kommentare im
Lauf der Ereignisse von der "Erfahrungsebene der Bürgergesellschaft" und
somit von den Lesern immer weiter entfernt. Die Ansichten der Kritiker
wurden nicht ernsthaft in die Debatte einbezogen, also von demjenigen
Teil der Bevölkerung, der aus vielerlei Gründen die Vollzugspolitik
skeptisch bis kritisch verfolgte (S. 130).
Überschwemmung mit Meldungen: Zum Ereignisthema Flüchtlinge/Asylanten wurde eine Themenverdrossenheit
herbeigeschrieben. Die Kernbotschaft der Newsberichte war in jenen
Monaten: Einerseits ertrinken viele Tausend Flüchtlinge im Mittelmeer
oder erreichen mit letzter Kraft Europas Grenzen. Andererseits sind die
EU-Staaten mitsamt unserer Regierungspolitik heillos zerstritten, und in
den östlichen Bundesländern agiert eine gewalttätige Szene, die
pauschal als "Dunkeldeutschland" etikettiert und damit ausgegrenzt wird
(S. 132, dies ist der Beginn der Zusammenfassung).
Wer zur Sprache kommt: Es waren überwiegend
nachrichtliche Berichte und meinungsbetonte Beiträge, nur 4%
"dialogische" Texte wie Interviews, nur 6% authentisch recherchierte
Berichte und/oder erzählende Formen wie Reportagen. Dass fast 20% der
Texte zu den kommentierenden Formen gehörten, ist ein ungewöhnlich hoher
Anteil, der von "ausgeprägter Meinungsfreude" der 3 Redaktionen kündet.
In der Kategorie der relevanten Akteure und Sprecher gehörten 66% der
Nennungen zur institutionellen Politik. Die weit abgeschlagene 2. Gruppe
waren mit 9% Vertreter der Judikative, Polizei, Strafverfolger,
Gerichte, Anwälte. Anders die eigentlichen Hauptakteure, die sich in
erster Linie und oft freiwillig um Flüchtlinge kümmerten. Diese
Helfergruppen, Einrichtungen, freien Träger und Initianten stellen nur
3,5% aller genannten Personen (das hört sich oben bei Euphemistisches Stimmungsbild anders
an, wb). Fachleute und Experten, die für die akuten Problemfelder
Auskunft geben konnten, kamen mit 1% so gut wie gar nicht vor. Und die
Hauptbetroffenen, nämlich Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten waren
nur mit 4% vertreten (S. 133).
Konflikte ausgeblendet: Den Konflikten auf der
konkreten Vollzugsebene der Bundesländer gaben die Leitmedien in ihren
Berichten keine Relevanz. Probleme auf der Vollzugsebene wurden fast nur
thematisiert, wenn es um Gewaltakte rechtsradikaler Gruppen ging. Die
Berichterstattung in den 3 Leitmedien war großteils auf die
"(partei)politische Arena der Koalitionspartner" fixiert. Die
eigentlichen Akteure, die sich in Behörden und Einrichtungen um die
Bewältigung der Aufgaben und Probleme vom Vollzugsalltag kümmerten,
waren aus dieser medial vermittelten Sicht der politischen Elite nicht
relevant (S. 134).
Ziel ist Belehrung: Bis Ende 2015 befasste sich kaum
ein Kommentar mit den Sorgen, Ängsten und Widerständen des wachsenden
Bevölkerungsteils der Willkommens-Gegner. Und wenn doch, dann in
belehrendem, teils auch verächtlichem Ton. Kaum ein Kommentar während
der Hochphase im August/September 2015 versuchte eine Differenzierung
zwischen Rechtsradikalen, politisch Verunsicherten und besorgten, sich
ausgegrenzt fühlenden Bürgern. Die Kommentare dienten überwiegend nicht
dem Ziel, verschiedene Grundhaltungen zu erörtern. Ziel war vielmehr,
der eigenen Überzeugung bzw. der regierungspolitischen Sicht Nachdruck
zu verleihen (S. 135 – das ist ein konkreter Manipulationsvorwurf, wb).
Gutmenschentum verlangt: Die Alltagswelt mit ihren
Akteuren kam praktisch nicht zur Sprache, nur im Zusammenhang mit
rechtsradikalen Gewaltakten. Der "demokratietheoretisch geforderte
verständigungsorientierte Diskurs" war 2015 im redaktionellen Teil der 3
Leitmedien für die Forscher "nicht auffindbar". Speziell in der SZ
folgten die Begründungen in den Kommentaren oft einer universalistischen
Ethik nach dem Motto: Die Menschenrechte gelten universell, sie
stehen über den nationalen Opportunitäten bzw. lokalen Interessen und
Bedürfnissen, deshalb muss bedingungslos geholfen werden (S. 136, das war und ist Dogmatismus, wb).
Zauberwort Willkommenskultur: Unsere Aufnahmebereitschaft wurde zum deutschen Wunder Willkommenskultur
erklärt – ein sich selbst begründender Euphemismus. In den
Tageszeitungsberichten wurde das zu einer Art Zauberwort verklärt, mit
dem von den Bürgern "freiwillig zu erbringende Samariterdienste"
moralisch eingefordert werden konnten. Das Wort wurde zur moralisch
aufgeladenen Maxime einer neuen Willkommensgesellschaft
ausgedehnt. Es wurde Druck ausgeübt: Wer Skepsis anmeldete, geriet in
den Verdacht der Fremdenfeindlichkeit. Auch die Lokal- und
Regionalpresse folgte gemäß der Untersuchung dieser Sinn- und
Zwecksetzung, die zuerst von der Wirtschaft, dann von der Politik
propagiert worden war. Die Untersuchung ergab außerdem, dass die lokale
Tagespresse den Leitmedien bei ihrer Nähe zur politischen Elite folgte
und bis Sommer 2015 "das Narrativ überwiegend als persuasive Losung
transportierte" (soll heißen, sie machten bei der Manipulation mit, S.
137).
Skeptiker ausgeblendet: Ca. 83% aller Zeitungsberichte
vermittelten das Leitbild Willkommenskultur in einem (überwiegend)
positiven Sinn. Bedenkenträger oder Skeptiker fanden sich in den
Berichten eher selten. Es gab einen "hohen Gleichklang" zwischen
Politiker- und Medienaussagen. Von daher sieht die Studie die Deutung
gut gestützt, mit dem Framing des
Komplexes Flüchtlingspolitik/Willkommenskultur wurde eine spezifische
Diktion verbreitet. Im Frühsommer 2015 wurde die öffentliche Meinung so
stark davon geprägt, dass abweichende Positionen nicht mehr gehört
wurden (S. 138, nochmal ein schwerer Manipulationsvorwurf, wb).
Versäumtes nachholen: Die Silvesternacht 2015/2016
brachte eine kleine Wende. Die Sorgen und Ängste vieler Menschen, zumal
in den Großstädten, wurden vorübergehend thematisiert. Jetzt wurden die
journalistischen Sorgfaltspflichten in vielen Zeitungsberichten
entgegengesetzt verletzt. Viele Berichte über Normverstöße stellen junge
Migranten und Asylsuchende pauschal unter Täterverdacht. In der Studie
wird der Eindruck wiedergegeben, viele Journalisten wollten jetzt
überfleißig nachholen, was sie zuvor versäumt hatten (S. 139).
Journalismus missbraucht: Der Analyse lag kein
Verständnis zugrunde, dem zufolge "der Informationsjournalismus vor
allem dazu da sei, Intentionen und Strategien der politischen Akteure
dem Publikum zu vermitteln". Doch wenn dem so gewesen wäre, könnte man
die "Ergebnisse als Beleg dafür nehmen, dass er diese Aufgabe aufs Beste
erfüllt hat". Das sei jedoch eine Leistung, die von der Politik-PR zu
erbringen wäre und erbracht wird (S. 139, das ist eine klare Anklage wegen Medienmissbrauch, wb).
Anspruch verfehlt: Der normative Anspruch des
diskursiven Journalismus' wie auch die unstrittigen Professionsregeln
des Qualitätsjournalismus verlangen eine unabhängige kritische Sicht auf
das politische Handeln. Bei gesellschaftlich folgenreichen Großthemen
verlangen sie die Einbeziehung der verschiedenen am Thema beteiligten
Gruppen in die Berichterstattung (S. 139+140, und beides wurde nicht geleistet, wb).
Wirkung der Flüchtlingsberichterstattung: Meinungen lassen sich ändern. 2010 zeigten Erhebungsdaten zum Meinungsklima deutliche Überfremdungsängste bei
mehr als der Hälfte der Bevölkerung. 2015 hieß die weit überwiegende
Mehrheit der Deutschen zuwandernde Fremde willkommen. Nach der Erdung
2016 fühlten sich 2/3 der Befragten eher bedroht, und 82% lehnten
"Merkels Flüchtlingspolitik" ab (S. 141+142).
Desillusion über Medienbild: Im Herbst/Winter 2015/16
reagierten sehr viele Menschen auf das von den Medien gezeichnete Bild
zu Flüchtlingen und Willkommenskultur desillusioniert. Sie zeigten sich
generell über die Informationsmedien deutlich enttäuscht, und sie
urteilten misstrauisch. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung glaubt
seither nicht mehr an die Unabhängigkeit des Journalismus'. Der werde
offenbar gezwungen, systemkonform und insofern manipulierend zu
berichten; das Vertrauen in die Medien ist beschädigt (S. 142).
Graben zwischen Politik & Medien und normaler Bevölkerung:
Die Studie endet mit der optimistischen Sicht, einige von den
Fehlentwicklungen seien inzwischen von den publizistischen
Meinungsführern erkannt. Z.B. dass der Graben zwischen politischen
Eliten und den Medien auf der einen Seite und der sogenannten normalen
Bevölkerung wachse, und dass manche Journalisten sich als Politikberater
verstehen (S. 146).