Österreich: Muslimbrüder aktiv und stark vernetzt

Presseaussendung des österreichischen Innenministeriums vom 14.9.2017

Internationaler Extremismus-Forscher:
Studie der George Washington Universität (Washington D.C., USA) belegt Einfluss der Muslimbruderschaft in Österreich / Schlüsselposition bei Ausbildung von Religionslehrern

In einer neuen Studie untersucht Dr. Lorenzo Vidino, Direktor des Program on Extremism der George Washington Universität (Washington, D.C.), die Muslimbruderschaft in Österreich und belegt, wie die international tätige, islamistische Bewegung auch in Österreich aktiv ist und hier über beträchtliche Verbindungen und Einfluss verfügt. Erstellt wurde die Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Wien (Institut für Orientalistik), unterstützt vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF).

Weitverzweigtes Netzwerk in Europa
Die Muslimbruderschaft, 1928 in Ägypten gegründet, verbreitet sich bereits seit den späten 1950er und frühen 1960er Jahren auch in vielen westlichen Ländern. Ziel der Muslimbruderschaft ist die graduelle Islamisierung der Gesellschaft. Zu diesem Zweck hat die Muslimbruderschaft in vielen europäischen Staaten inzwischen ein Netzwerk aus sozialen Organisationen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen aufgebaut. In mehreren Staaten des Nahen Ostens wie etwa in Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten wird die Muslimbruderschaft als Terrororganisation klassifiziert.

Vertreter/innen muslimbrudernaher Organisationen zentrale Ansprechpartner

"Aufgrund ihrer starken Vernetzung und professionellen Struktur, sind Anhänger der Ideologie der Muslimbruderschaft bzw. ihr nahestehende Organisationen in den vergangenen Jahrzehnten vermehrt zu Ansprechpartnern für westliche Eliten innerhalb der muslimischen Community geworden", erklärt Studienautor Vidino, der sich seit 15 Jahren mit den Aktivitäten muslimbrudernaher Organisationen im Westen sowie mit Mobilisierungsdynamiken dschihadistischer Netzwerke beschäftigt. Seine Untersuchung belegt nun erstmals ausführlich die Präsenz und Vernetzung der Muslimbruderschaft in Österreich.

Schlüsselrolle im Bildungsbereich
Auch übernahmen der Muslimbruderschaft nahestehende Personen und Organisationen Schlüsselpositionen für das Leben von muslimischen Zuwander/innen in Österreich, betont Vidino, "so steht etwa die IRPA – verantwortlich für die Ausbildung von islamischen Religionslehrer/innen – aufgrund verschiedener Verbindungen zur Muslimbruderschaft zweifellos unter deren Einfluss." Auch bei der Aufnahme der in Österreich in den letzten Jahren vermehrt ankommenden Asylsuchenden aus mehrheitlich muslimischen Ländern haben Organisationen und Personen mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft zentrale Rollen eingenommen. "Ihre Bestrebungen laufen jedoch den Maßnahmen der österreichischen Politik zuwider, da ihre Werte in Widerspruch zu den rechtstaatlichen Werten Österreichs stehen", betont Vidino.

Muslimbruderschaft zielt auf Spaltung der Gesellschaft in Österreich ab
"Die Muslimbrüder zielen auf eine Spaltung der Gesellschaft und eine Stärkung des Einflusses des politischen Islam ab", so Studienautor Vidino. So würde etwa eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam kategorisch als "Islamophobie" abgelehnt. "Das geht bis hin zur Rechtfertigung von Gewalt – eine Haltung, die ein förderndes Umfeld für Radikalisierung darstellt." Anti-muslimische Vorfälle würden in den letzten Jahren zunehmend auch in Österreich von islamistischen Kreisen bewusst überzeichnet und zur verstärkten Propagierung einer "Wir gegen Sie"-Haltung genutzt. "Gerade vor dem Hintergrund des starken Anstiegs von islamischer Radikalisierung in Europa muss die Verbreitung des Narrativs der Muslime als Opfer mit Sorge betrachtet werden", betont Studienautor Vidino.
Die gesamte Studie "Die Muslimbruderschaft in Österreich" steht auf der Website des Program on Extremism der George Washington University unter in englischer Sprache zum Download zur Verfügung.

Soweit die Aussendung - Islamexperte Dr. Thomas Tartsch - www.thomastartsch.org - meint dazu:

Die Ergebnisse der Studie sind keine Überraschung, sondern bestätigen nur das, was Dr. Amer Albayati und ich u.a. im 3. Kapitel seines Buches "Auf der Todesliste des IS" (Von der Muslimbruderschaft zum IS - Gefährdungspotentiale für Österreich und Europa) ausgeführt haben, da Österreich (und Deutschland) Hotspots des europäischen Netzwerkes der MB waren und sind.

Derzeit erleben wir etwa eine Ausbreitung der MB in Ostdeutschland, weil die MB dort nicht so bekannt ist. Siehe zum Gefährdungspotential der MB auch unsere Beiträge im ILMÖ Jahresbericht 2016.

 
Dr. Vidino, ein international renomierter Kenner der MB, hat schon 2011 ein Paper über die MB in Europa veröffentlicht. Ebenso im gleichen Jahr eine weitere Studie zu dem Thema bei RAND. Aber schon 2005 warnte er vor den Plänen der MB in Europa. Ein inzwischen als Klassiker einzuordnender Text zum Thema.

Auch wenn die MB in Europa primär zum legalistisch agierenden Islamismus gezählt wird, der keine Gewalt zur Zielerreichung propagiert und anwendet, stellen die Netzwerke eine Gefährdung der inneren Sicherheit aller europäischen Länder dar, weil ihre Aktivitäten darauf gerichtet sind, sich von der Mehrheitsgesellschaft abschottende Gegengemeinschaften zu bilden (Konzepte von al-Wa'laa wa-l-Ba'raa und al-Hisba), wo schariahtische Grundsätze herrschen, um irgendwann in der Zukunft ein Chalifat in Europa zu errichten.

Dabei muss man sich von der Vorstellung lösen, die europäischen Netzwerke wären aller mit der Mutterorganisation in Ägypten verbunden, da zum einen die MB Netzwerke in Europa im jeweiligen Land eine spezifische Entstehungsgeschichte besitzen. Und es zum anderen primär um die Verbreitung der Ideologie geht, die den Islam als Einheit von Religion und Staat (al-Islam huwa Din wa Daula) propagiert, der den Westen in allen Belangen überlegen ist, womit der Islam in MB Auslegung die Lösung aller Probleme beinhaltet (al-Islam huwa al-Hall), wenn er in einer sozial-integrativen und ökonomisch-gerechten Nizam Islami (Islamische Ordnung) Gestalt annimmt.

Wie so eine Nizam Islami unter MB Ägide aussehen würde, hätte Ägypten gezeigt, wenn der heutige Ra'is el-Sisi die MB damals nicht gestürzt, ihre Partei verboten und die Strukturen der MB zerschlagen hätte, weil die Verfassungsvorstellungen der MB auf die Errichtung einer islamischen Nomokratie innerhalb eines schariahtischen Rahmens gerichtet waren, wo keine Geschlechtergleichheit im sozialen Raum und keine Gleichheit der Religionen vorgesehen war, weil das alles "Verwestlichung" gewesen wäre. Siehe hierzu die Ausführungen zum damaligen Artikel 219 der geplanten Verfassung, S.33ff. .

Insoweit war, ist und bleibt die MB in Ägypten eine islamistische Organisation, die nie eine Versöhung zwischen islamischer Tradition und Moderne angestrebt hat, weil die westliche Moderne = "Verwestlichung" als Wurzel aller negativen Entwicklungen in der islamisch geprägten Welt angesehen wird.

Die Einstufung macher medial bekannter "Experten" von der MB als "gemäßigte Islamisten" braucht daher nicht weiter thematisiert zu werden, weil die MB Islamisten sind, die im Gegensatz zum Salafi Dschihadismus/ militanter Islamismus derzeit keine Gewalt propagieren und ausüben, weil man legalistisch (unter Ausnutzunge der Freiräume, die von der jeweiligen Verfassung gewährt werden) mehr erreichen kann.

Das ändert aber nichts an ihren Zielen in Europa, die daruf gerichtet sind, die hier geltenden verfassten Ordnungen im Zeitablauf zu überwinden.

Das gilt ebenso für die Akteure der MB in Europa, die in der Regel keine offiziellen Mitglieder der MB in Ägypten sind, da hinter ihrem Image als "jung und modern" die MB Ideologie steht, die sich im Kern seit 1928 nie geändert hat.

Insgesamt gesehen, sind jetzt die politisch-gesellschaftlichen MUlitplikatoren und Entscheidungsträger auf nationalstaatlicher und europäischer gefagt, weil es um die Frage geht, wie man der MB in Europa in Zukunft begegnet, um ihren gesellschaftlichen, sozialen und politischen Einfluss auszutrocknen, der sich über Jahrzehnte in Teilen der muslimischen Communities verankern konnte, während westliche "Eliten" in Politik, Kirche und Gesellschaft willige Erfüllungsgehilfen der MB spielten.

Es gilt somit das, was Dr. Albayati seit Jahren anmahnt: "Die Muslimbruderschaft und den politischen Islam in Europa stoppen".

Siehe konkret dazu auch:
"Radikaler politischer Islam als Bedrohung für Europa"
"Vorbeugender Terroralarm erforderlich"
"Islam und Gewalt"
"ILMÖ fordert Verbotsgesetz gegen radikalen Islamismus"