In jeder Behörde in Bayern muss künftig ein Kreuz hängen

Siehe unten Nachtrag vom 28.4.2018!

Das meldete am 24.4.2018 der STANDARD:

Landeskabinett beschloss Änderung der Geschäftsordnung

München – In Bayern muss nach einem Beschluss des Landeskabinetts ab Juni in jeder Behörde ein Kreuz hängen. "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes im Freistaat ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland anzubringen." Das erklärte die Staatskanzlei am Dienstag nach einer Kabinettssitzung. Die allgemeine Geschäftsordnung sei entsprechend geändert worden.
"Das Kreuz ist das grundlegende Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung", hieß es weiter. Die Neuerung gilt "für alle Behörden des Freistaats Bayern ab dem 1. Juni 2018". Den Kommunen, Landkreisen und Bezirken werde empfohlen, "entsprechend zu verfahren".

Soweit die Meldung. Der aktuell zu sehende oberste Leserkommentar dazu: "Ich kann diesen Schwachsinn vom christlichen Abendland nicht mehr hören. Europäische Kultur, zumindest im westlichen Europa, ist aus der Opposition zur Kirche und zum Glauben entstanden und nicht daraus! Durch den Rückgriff auf die Antike, durch die Aufklärung und dem Niedergang des Kirchenstaates sind wir wer wir sind. Ein Kreuz bedeutet die Anbiederung an die Rückständigkeit. Durch solche Gesetze bekämpfen wir keine Extremisten, sondern werden selbst wieder zu welchen."

Bayern ist natürlich seit 1945 CSU-geprägt. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren hatte die CSU nicht die absolute Mehrheit, da gab es die Konkurrenz der Bayernpartei, von 1970 bis 2008 lag die CSU über 50 %, was wohl auch damit zusammenhängt, dass die CSU nicht CDU heißt und im "Freistaat Bayern" regionales Selbstbewusstsein manifestiert, bei den letzten beiden Wahlen verlor man Stimmen an die nun im 10%-Bereich liegenden "Freien Wähler Bayern".

Aber auch die CSU-Dominanz hat nichts daran geändert, dass sogar in Bayern die Religion weniger wird. 1950 waren 71,9 % katholisch, 26,5 % evangelisch und 1,5 % konfessionslos. 2011 waren 55 % katholisch und 21 % evangelisch, 20 % konfessionslos, in nur fünf Jahren änderte sich bis 2016 das auf 50,5 % katholisch, 18,8 % evangelisch, über 25 % konfessionslos!

Offenbar will man jetzt ein katholisches CSU-Zeichen setzen! Bayern hat christlich zu sein und jeder Muslim und jeder Konfessionslose hat das zu sehen, wenn eine Behörde betreten wird! Dort herrscht streng amtliche Christentradition! Also ist überall ein aus Schillers "Wilhelm Tell" berühmter Gesslerhut aufzuhängen und das Volk hat dem CSU-Kreuz seinen Respekt zu zeigen! Ob da dann auch wer wartet in der Hohlen Gasse? Es muss ja keiner mit einer Armbrust sein, aber die rechtliche Frage, ob es zumutbar ist, das christliche Siegeszeichen in jedes Amt zu hängen, sollte auf alle Fälle gestellt werden. Denn schließlich sind auch in Bayern die Sonntagsmessen Aufenthaltsorte für ein paar Leute aus der Pensionistengeneration und eine allgemeine christliche Religionspflicht gibt es schon lange nimmer.

Und in der bayrischen Verfassung steht auch die Religionsfreiheit:
Art. 107 – 1) Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
2) Die ungestörte Religionsausübung steht unter staatlichem Schutz.
3) Durch das religiöse Bekenntnis wird der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf es keinen Abbruch tun.
4) Die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern ist von dem religiösen Bekenntnis unabhängig.
5) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.
6) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder Feierlichkeiten oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden.

Verfassungsnachtragsvorschlag:
7) Jedoch können alle unabhängig von Religion und Weltanschauung in jeder Behörde zum Anblick eines Kreuzes gezwungen werden!

Nachtrag vom 28.4.2018:

Überraschung! Es gibt sogar kirchliche Kritik an der geplanten religösen Markierung aller bayrischen Behörden!
Der SPIEGEL schrieb am 27.4. u.a.:
"Auf Initiative Söders hatte das bayerische Kabinett am Dienstag beschlossen, dass in allen Behördengebäuden unter der Verwaltung des Freistaats im Eingangsbereich ein Kreuz angebracht werden soll. Dies war unter anderem von den Kirchen als Instrumentalisierung des Kreuzes zu Wahlkampfzwecken kritisiert worden. Tatsächlich findet in Bayern im Herbst die Landtagswahl statt. Söders Kreuz-Vorstoß, wie auch andere Äußerungen zum Islam, muss in diesem Zusammenhang gesehen werden."

Söder reagiert auf islamische Bedrängungen wie viele konservative Politiker, er setzt einer mittelalterlichen Religion nicht die Aufklärung und die heute gelebte Säkularität entgegen, sondern das Christentum des Vormodernismus! Wer kein Philoislamist ist, der hat eine Art Kreuzritter zu sein und nicht ein säkularer Mensch des 21. Jahrhunderts! Offensichtlich glaubt der Söder tatsächlich, dass ihm die amtliche Markierung von Behörden mit Kreuzen bei den Wahlen Stimmen bringt. Was wohl eher nicht der Fall sein wird, weil die Minderheit der tatsächlich noch praktizierenden Christen in Bayern wählt sowieso CSU und islamkritische Leute werden die Bekreuzigung von Ämtern und Behörden eher als eine Folge des Islam sehen und nicht als Islamkritik! Sozusagen: der Islam ist eine dominante Religion, na wir in Bayern zeigen, dass für alle das Christentum die dominante Religion zu sein hat!

Bereits am 26.4. hieß es in einer Meldung des ORF:
"Der deutsche Staatsrechtler Horst Dreier hält eine Verfassungsklage gegen den Landesregierungsbeschluss zum verpflichtenden Anbringen von Kreuzen in allen staatlichen Behörden Bayerns für wahrscheinlich. (..) Das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität im deutschen Grundgesetz schließe es aus, in allen Behörden Kreuze als Symbol einer bestimmten Religion aufzuhängen, auch wenn es die Mehrheitsreligion sei. 'Das Neutralitätsgebot fordert vom Staat, sich gerade nicht mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung zu identifizieren.' Die neue bayrische Regelung verletze dies in zentraler Weise. (..)"
Außerdem hält Dreier die Argumentation Söders, das Kreuz sei ein Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern, für falsch und sagt dazu: "Die christlichen Kirchen haben sich mit zentralen verfassungsrechtlichen Ideen von Demokratie und Menschenrechten erst nach dem Zweiten Weltkrieg angefreundet, nicht 1.900 Jahre davor."
Man kann gespannt sein, wie das weitergeht!