Ketzertag-Organisatorin Daniela Wakonigg - Foto: © Florian Chefai
Parallel zum Katholikentag in Münster fand mit dem "Ketzertag" eine
kirchen- und religionskritische Gegenveranstaltung statt. Neben
ausgiebigen Diskussionen kam dabei auch der Humor nicht zu kurz.
Fünf Tage lang befand sich Münster im religiösen Ausnahmezustand. Wohin
man auch blickte, überall hasteten Besucher des 101. Katholikentags mit
ihren türkisfarbenen Schals durch die anonsten von Fahrradfahrern
dominierte Innenstadt. An zahlreichen Veranstaltungsorten wurde unter dem
Leitwort "Suche Frieden" gebetet, gepredigt, geredet und gesungen – und
das zum Ärgernis vieler Münsteraner, die mit Straßensperrungen und der
Beeinträchtigung des öffentlichen Nahverkehrs zu kämpfen hatten.
Katholikentag in Münster – Foto: © Florian Chefai
Zu allem Übel hatte das fromme Fest auch einen stolzen Preis: 9,3
Millionen Euro kostete der Katholikentag, wovon etwa ein Drittel durch die
öffentliche Hand – und somit auch von den Steuerngeldern von anders- und
nichtgläubigen Menschen – finanziert wurde. Vorausgegangen waren deswegen
hitzige Debatten über die Zulässigkeit der Förderung einer
Kirchenveranstaltung angesichts der zunehmenden Säkularisierung der
Gesellschaft.
Auch während des Katholikentags setzte sich der Protest gegen eine
einseitige Privilegierung fort. Unter dem Motto "Suche Streit – Für eine
vernünftige Streitkultur" veranstalteten der
Internationale Bund der Konfessionsfreien und Atheisten (IBKA) und
die
Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) den
"Ketzertag Münster
2018" mit einem vielfältigen Gegenprogramm.
Thematisiert wurde dabei nicht nur die großzügige Finanzierung der
christlichen Kirchen, sondern auch die Religion als solche. So klärten
Maximilian
Steinhaus und Johann-Albrecht Haupt in der
Auftaktveranstaltung über die Staatskirchenleistungen, die finanziellen
Dimensionen des Katholikentags und die sich dort manifestierende
Verquickung von Staat und Religionsgemeinschaft auf. Der Autor und
Religionskritiker
Philipp
Möller erklärte anschließend in einem kurzweiligen Vortrag, warum
die Gesellschaft ohne Religion besser dran wäre.
Am folgenden Tag hielt die Juristin und ehemalige SPD-Politikerin
Ingrid
Matthäus-Maier ein Plädoyer gegen die religiöse Diskriminierung am
Arbeitsplatz, von der Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen betroffen
sind. Der Kabarettist "
Gunkl" unterhielt am späteren Abend das Publikum mit seinem
Soloprogramm "Zwischen Ist und Soll".
Hartmut
Zinser untersuchte am dritten Ketzertag, ob Religionen wirklich
Frieden suchen, wie es das Motto des Katholikentags suggeriert, oder ob
sie eher Zündstoff für Konflikte liefern. Laut dem
Religionswissenschaftler müsse konstatiert werden, dass Religionen aus
inneren Gründen nicht friedfertig seien, sondern dass ihnen
Friedfertigkeit erst aufgedrängt werden musste.
Michael
Schmidt-Salomon gab im Anschluss eine Antwort auf die Frage, ob
der Mensch heute noch Religion braucht. Der Philosoph und
Vorstandssprecher der
Giordano-Bruno-Stiftung erklärte, dass die Wissenschaft die Welt
nicht nur entzaubert, sondern ihr zugleich einen neuen Zauber verliehen
habe. Ein institutionalisierte Glaube sei jedenfalls nicht erforderlich,
um Sinn und Hoffnung zu finden.
Michael Schmidt-Salomon beim Ketzertag – Foto: © Florian Chefai
Am letzten Tag stellte der Wissenschaftsjournalist
Rüdiger Vaas zunächst verschiedene Gründe vor, warum Menschen
glauben und welche sozialstrukturellen Folgen sich aus der Religiösität
ergeben. Sein Fazit: Religionen sind für prekäre gesellschaftliche
Verhältnisse in großem Maße mitverantwortlich.
Der Abschluss der Ketzertag-Veranstaltungsreihe wurde schließlich
andächtig begangen: Nach einem Einführungsvortrag zum "Pastafarianismus"
von
Daniela Wakonigg wurde eine
"Heilige
Nudelmesse" der
Kirche des
fligenden Spaghettimonsters mit Rüdiger Weida alias "
Bruder Spaghettus" und seiner Frau "
Elli Spirelli" gefeiert. Statt Hostien gab es Nudeln, statt Wein
wurde ein Kelch mit Bier weitergereicht. Selbst ein paar junge
Besucherinnen des Katholikentages hatten – offensichtlich erfreut – an der
satirischen Zeremonie teilgenommen.
"Bruder Spaghettus" und "Elli Spirelli" von der "Kirche des fliegenden
Spaghettimonsters" – Foto: © Florian Chefai
Wenige Stunden zuvor erregte die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters bereits die Aufmerksamkeit
vieler Passanten in der Innenstadt: "Bruder Spaghettus" entweihte den
Münsteraner Hauptbahnhof, der 2017 vom katholischen Bischof Felix Genn
gesegnet wurde. Sodann sprach er den Segen der "einzig wahren Religion",
nämlich den des fliegenden Spaghettimonsters. Zunächst wollten
Sicherheitsbeamte der Deutschen Bahn den Zutritt in das Bahnhofsgebäude
verhindern. Da es dafür keine rechtliche Grundlage gab, mussten sie die
kleine Prozession jedoch gewähren lassen.
Der Katholikentag selbst wurde während der gesamten Dauer von der Kunstaktion "11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!" begleitet, die seit 2014 die verfassungswidrige Subventionierung von Kirchen- und Katholikentagen kritisiert. Sonderlich erfreut darüber waren weder die Veranstalter des Katholikentags noch die Behörden vor Ort. So wurden die Demonstranten mehrmals von der Polizei des Platzes verwiesen.
Der Initiator der Aktion David Farago zeigte sich verärgert: "Es ist einfach unverschämt: Während die Stadtverwaltung dem Katholikentag jeden Wunsch erfüllt, versucht man uns von den zentralen Veranstaltungsplätzen fernzuhalten. Obwohl wir unsere Aktion bereits vor über einem Jahr angemeldet haben, hat uns das Polizeipräsidium Münster hingehalten. Stattdessen will man uns hinter die Absperrungen der Fußgängerzone verbannen, wo wenig Publikumsverkehr zu erwarten ist. Das kommt faktisch einem Verbot unserer Demonstration gleich."
Kunstaktion "11. Gebot" – Foto: © Giordano-Bruno-Stiftung
Trotz aller Widerstände erreichten die Aktionen und Veranstaltungen rund um den Ketzertag ein großes Publikum. Innerhalb weniger Tage etablierte er sich damit zu einer Marke, die das Stadtbild prägte und selbst von religiösen Menschen Zuspruch erhielt.
Angesichts des massiven Aufgebots, mit dem der Katholikentag von Seiten der Kirche und Politik inszeniert wurde, blickt die Organisatorin des Ketzertags Daniela Wakonigg daher zufrieden auf die ereignisreichen Tage zurück: "Ich bin überwältigt von dem Zuspruch, den wir für diesen Ketzertag erhalten haben. Bei den Veranstaltungen, in den sozialen Medien und von den Münsteranerinnen und Münsteranern auf der Straße. Einige haben sogar schon gefragt, wann der nächste Ketzertag stattfindet."