Heute veröffentlicht die EU-Kommission ein Gesetzgebungspaket zur Vollendung der Kapitalmarktunion. Darin enthalten sind Gesetzgebungsvorhaben der Kommission zum nachhaltigem Finanzwesen ("sustainable finance"), unter anderem zu einem Rahmengesetz für die Entwicklung einer Klassifizierung (Taxonomie) nachhaltiger Geldanlagen, zu Pflichten von institutionellen Investoren (fiduciary duties) und deren Offenlegungsregeln, zu Vergleichsindizes (Benchmarks) und zu Kundenberatung in Sachen Nachhaltigkeit. Die konkreten Inhalte der Klassifizierung soll eine technische Expertengruppe im Laufe des nächsten Jahres erarbeiten. Die Kommissionsvorschläge sind Teil einer umfassenden Strategie, Finanzmärkte nachhaltiger und krisenfester zu gestalten und mehr Investitionen in nachhaltige Projekte zu lenken. Im nächsten Schritt müssen die Kommissionsvorschläge im Europaparlament und im Rat der Mitgliedsländer beschlossen werden.
Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-
Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
"Europa setzt
sich bei grünen Finanzmärkten an die Spitze. Europa kann zum Leitmarkt
für nachhaltige Finanzprodukte werden, wenn wir die neuen Standards mutig
setzen. Nachhaltige Finanzmärkte sind stabiler, weil Risikoanlagen wie
in klimaschädliche Industrien schnell unter Druck kommen und schockartige
Divestments verhindert werden. Alle Unternehmen werden regelmäßigen
auf ihre Nachhaltigkeit unter die Lupe genommen. Damit steigen in allen Wirtschaftssektoren
die Anreize zur sozialen und ökologischen Modernisierung der Geschäftsmodelle.
Renten und Ersparnisse müssen zukunftssicher in klimafreundliche Projekte
gesteckt werden, Investitionen in Atomkraft und Kohlekraftwerke haben ausgedient.
Unser Drängen für die Förderung grüner Finanzmärkte
trägt damit endlich Früchte.
Die EU-Kommission hat erfreulich viele
der Forderungen unseres grünen Initiativberichts zu nachhaltigem Finanzwesen
aufgegriffen. Es ist höchste Zeit für klare gemeinsame Definitionen
und Standards, damit dieser junge Markt weiter florieren kann. Diese Ansicht
teilen inzwischen auch viele Finanzmarktakteure. Dagegen ist gut, dass die Reduktion
von Eigenkapitalvorschriften für grüne Anlagen vorerst vom Tisch ist.
Kapitalerleichterungen sind nur gerechtfertigt, wenn das geringere Risiko einer
grünen Investition nachgewiesen ist.
Die für die Inhalte der Klassifikation
zuständige technische Arbeitsgruppe muss umweltschädliche Investitionen
explizit aus der Definition nachhaltiger Geldanlagen ausschließen. Atomkraft,
Kohlekraftwerke oder fossile Infrastrukturen haben in einem nachhaltigen Finanzprodukt
nichts zu suchen, denn sie können den Ruf dieses jungen Marktes ruinieren.
Die Kommission sollte bald ihr Versprechen einlösen und neben klimarelevanten
Faktoren, wie heute für die Klassifikation vorgeschlagen, weitere Umwelt-,
Sozial- und Faktoren der Unternehmensführung (ESG) einbeziehen. Wir begrüßen
die geplante Klassifikation besonders als Grundlage für das geplante Label
für nachhaltige Finanzprodukte, das Verbrauchern zukünftig die Unterscheidung
nachhaltiger Geldanlagen erleichtern könnte. Einen Vorschlag für ein
solches Label, das nicht Teil der heutigen Vorschläge ist, erwarten wir
baldmöglichst von der Kommission.
Wir begrüßen, dass institutionelle
Investoren zukünftig Nachhaltigkeitskriterien in ihre Investitionsentscheidungen
einbeziehen sollen. In ihrem Gesetzesentwurf hat die Kommission Finanzinstitute
ausgespart. Das ist eine klare Aufforderung an das Parlament, bei der derzeit
laufenden Überholung der Bankengesetzgebung mutige Vorschläge zu machen.
Den
Vorschlag der Kommission, zu klären wie die Kundenberatung für nachhaltige
Geldanlagen verbessert werden kann, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Auf Basis verschiedener Rechtsakte sollen Berater zukünftig systematisch
die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abfragen und bei der Geldanlage
berücksichtigen."
Initiativbericht
des Wirtschaftsausschusses des Europaparlaments zu nachhaltigem Finanzwesen
(Bestätigung durch das Plenum ist für den 29. Mai angesetzt).
Wie
es zum Aktionsplan "Sustainable Finance" kam (Video des Hearings zur
Ernennung von Finanzkommissar Dombrovskis):
2016 07 06 Giegold Dombrovskis ECON SustainableFinance