Vor der Verfassung sind alle gleich...

...manche sind aber gleicher!

Die Protestanten haben in Österreich einen Feiertag mehr als andere Landesbewohner. In der Verfassung heißt es jedoch im Artikel 7 (1): "Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen." Und im Artikel 14 des Staatsgrundgesetzes heißt es: "Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist Jedermann gewährleistet. Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig (..)."

Bei den Protestanten ist der wichtigste und höchste Feiertag der Karfreitag. Trotzdem ist es verfassungsrechtlich nicht möglich, dass ein Teil der Einwohnerschaft vom Gesetz her einen Feiertag mehr hat als die übrige Bevölkerung.

Im Arbeitsruhegesetz steht im § 7:
" (2) Feiertage im Sinne dieses Bundesgesetzes sind: 1. Jänner (Neujahr), 6. Jänner (Heilige Drei Könige), Ostermontag, 1. Mai (Staatsfeiertag), Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. August (Mariä Himmelfahrt), 26. Oktober (Nationalfeiertag), 1. November (Allerheiligen), 8. Dezember (Mariä Empfängnis), 25. Dezember (Weihnachten), 26. Dezember (Stephanstag).
(3) Für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ist auch der Karfreitag ein Feiertag."

Allein daraus ist der Widerspruch zur Verfassung ablesbar:
Wenn es keine Vorrechte des Bekenntnisses geben darf, dann darf es auch keinen zusätzlichen Feiertag für die Angehörigen eines bestimmten Bekenntnisses geben!

2017 hatte ein Österreicher ohne religiöses Bekenntnis geklagt, dass er aufgrund seiner Bekenntnislosigkeit und seines Nichtprotestantismus diskriminiert würde, in zweiter Instanz wurde seiner Klage stattgegeben, sein Betrieb sollte 109,09 Euro als Feiertagsüberstundenentgelt für den Karfreitagsdienst bezahlen. Der Betrieb ging in Berufung, der Oberste Gerichtshof legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Der Generalanwalt hat nun laut Berichten der Medien vom 25.7.2018 seine Stellungnahme dazu bekannt gemacht. Er bestätigte einerseits das Vorliegen einer Diskriminierung, kehrte allerdings andererseits das österreichische Urteil um: es sollte nicht der konfessionslose Kläger Überstunden bezahlt bekommen, sondern es sollte niemand Überstunden für Karfreitagsarbeit erhalten. Der Generalanwalt begründet das so, es sei schwer nachvollziehbar, wie der Erhalt eines doppelten Arbeitsentgelts dafür, dass am Karfreitag die Religion nicht ausgeübt wird, geeignet sein sollte, das Ziel des Schutzes der Religionsfreiheit und Religionsausübung zu erreichen.

Ein EuGH-Urteil in diesem Sinn würde bedeuten, dass es keine Überstunden für protestantische Feiertagsarbeit am Karfreitag mehr gäbe, aber den protestantischen Extra-Feiertag trotzdem! Allerdings: ob der Feiertag dann religiös benutzt würde oder zur Verlängerung einer österlichen Urlaubsfahrt, wäre wohl kaum nachprüfbar. Dazu müssten die Betroffenen dann ja belegen, dass sie am Karfreitag acht Arbeitsstunden lang ihre Religion ausgeübt hätten!

Wenn das EuGH-Urteil so ausfallen sollte, dass der Feiertag bleibt, aber für den nicht konsumierten Feiertag keine Überstunden zu zahlen sind, dann bliebe die Diskriminierung trotzdem aufrecht: Protestanten hätten aufgrund ihres Bekenntnisses einen arbeitsfreien Tag mehr, den sie beliebig verwenden könnten, weil eine behördliche Überprüfung, ab der Feiertag zur Religionsausübung verwendet wurde, wird sich nicht einrichten lassen, außerdem dauert eine zum Karfreitag passende Religionsausübung sicherlich keine acht Stunden.

Vor der Verfassung und den verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechten haben alle gleich zu sein! Wir haben nämlich nicht die Verfassung von George Orwells "Farm der Tiere":


(Screenshot aus dem Film "Animal Farm", Großbritannien 1954)