EU-Finanzaufsicht braucht mehr Durchsetzungskraft

Aussendung von Sven Giegold vom 21.9.2018:

Europäische Finanzaufsicht braucht mehr Durchsetzungskraft, Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit

Seit kurzem liegen die Änderungsanträge der EU-Parlamentarier zur Überarbeitung der drei europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) vor. Auf Basis dieser Vorschläge werden die Abgeordneten den Kompromiss des Europaparlaments verhandeln und abstimmen, der anschließend in den Verhandlungen mit Ministerrat und EU-Kommission als Verhandlungsposition des Parlaments dient. An den Änderungsanträgen lassen sich die Positionen der einzelnen Parteien ablesen. Der Zeitplan für das Gesetzesvorhaben ist straff, weil der Prozess vor Ende der Legislaturperiode im Mai 2019 abgeschlossen sein muss, um nicht nach den Europawahlen neu aufgerollt zu werden. Nach dem Wechsel von Burkhard Balz zur Bundesbank übernimmt der Abgeordnete Othmar Karas die Ko-Berichterstattung für die Christdemokraten (EVP).

Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
“Wir müssen jetzt die Weichen stellen, dass die europäischen Finanzmärkte eine wirklich handlungsfähige gemeinsame Aufsicht bekommen. Für eine echte Kapitalmarktunion braucht die europäische Finanzaufsicht endlich mehr Kompetenzen und Ressourcen im Bereich Verbraucherschutz.
Die Governance der europäischen Aufseher sollte dringend durch ein unabhängiges Direktorium gestärkt werden, um die Blockademöglichkeiten durch die nationalen Aufsichtsbehörden zu reduzieren. Bisher konnten die nationalen Aufseher regelmäßig Entscheidungen der europäischen Ebene behindern. Viele gesetzliche Kompetenzen der EU-Finanzaufseher wurden daher faktisch kaum genutzt. Gemeinsam mit Sozialdemokraten (S&D), Linke (GUE) und Liberale (ALDE) setzen wir Grünen uns für die Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit der Finanzaufsicht ein. Wir Grünen fordern gleichzeitig die starke Verankerung des Proportionalitätsprinzips, um die Bürokratie der Finanzmarktregulierung gerade für kleine und solide Unternehmen zurückzudrängen.
Mit seiner Ablehnung jeglicher Stärkung der europäischen Entscheidungsfähigkeit hat sich der ausgeschiedene Ko-Berichterstatter Burkhard Balz (CDU) leider gegen eine echte Kapitalmarktunion positioniert. Der neue Ko-Berichterstatter der Christdemokraten Othmar Karas ist jetzt gefordert, die Position der Christdemokraten im Sinne eines pro-europäischen Kompromisses zu korrigieren. Die für die europäischen Finanzmärkte dringend notwendigen Reformen dürfen nicht von nationalen Bedenken ausgebremst werden.
Gemeinsam mit den Christdemokraten (EVP) setzen wir uns für eine stärkere Unabhängigkeit des Europäischen Rats für Systemstabilität (ESRB) ein. Zu lange wurden makroprudenzielle Warnungen nicht ernst genommen, mit erheblichen Risiken für die Finanzstabilität. Das Finanzsystem ist 10 Jahre nach dem Höhepunkt der Krise noch stärker aufgebläht als vor der Krise. Nur durch mehr Unabhängigkeit von der europäischen Zentralbank kann der ESRB seine Aufgaben in der makroprudienziellen Aufsicht glaubwürdig wahrnehmen und Finanzmarktakteuren wichtige Signale geben, wenn Systemrisiken drohen. Makroprudenzielle Risiken sollen zukünftig von einem ESRB mit unabhängigem Vorsitzenden effektiver adressiert werden.
Wir Grünen fordern in unseren Anträgen, dass die ESAs zukünftig verdeckte Testkäufe (mystery shopping) durchführen dürfen, um grenzüberschreitend zu überprüfen, ob Finanzunternehmen Verbraucher wirklich schützen. Anlaufstellen für Whistleblower, die Informationen über mögliche Rechtsbrüche mitteilen möchten, sollen sichtbarer und besser zugänglich werden. Die Finanzaufseher müssen in ihren Stresstests von Finanzinstitutionen zukünftig auch Klimarisiken berücksichtigen, die unser Finanzsystem mit dem fortschreitenden Klimawandel bedrohen. Angesichts der zahlreichen Fälle schwerwiegenden Versagens nationaler Aufseher bei der Bekämpfung von Geldwäsche, fordern wir hierzu starke Kompetenzen für die europäische Finanzaufsicht.”

Grüne Schlüsselforderungen:
Stärkung der Governance durch unabhängiges Direktorium der ESAs
Stärkung des Mandats in den Bereichen Verbraucherschutz und Nachhaltigkeitsrisiken
Mandat für verdeckte Testkäufe (Mystery Shopping) für effektiveren Verbraucherschutz
Von der EZB unabhängiger Vorsitzender für den ESRB
Sichtbare und leicht zugängliche Anlaufstellen für Whistleblower einrichten
Mandat zur Einrichtung von Koordinationsplattformen für nationale - Aufseher von Finanzunternehmen, die ihre Dienste grenzüberschreitend anbieten
Mandat für die Geldwäschebekämpfung
Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber Europaparlament
Carbon-Stress-Tests zur Analyse von Klimarisiken für das Finanzsystem
Zentrale Datenbank für Reporting-Daten und Verbraucherbeschwerden einrichten
Mehr Ressourcen für Verbraucherschutz- und Nachhaltigkeitsaufgaben