Seit kurzem liegen die Änderungsanträge der EU-Parlamentarier zur Überarbeitung der drei europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) vor. Auf Basis dieser Vorschläge werden die Abgeordneten den Kompromiss des Europaparlaments verhandeln und abstimmen, der anschließend in den Verhandlungen mit Ministerrat und EU-Kommission als Verhandlungsposition des Parlaments dient. An den Änderungsanträgen lassen sich die Positionen der einzelnen Parteien ablesen. Der Zeitplan für das Gesetzesvorhaben ist straff, weil der Prozess vor Ende der Legislaturperiode im Mai 2019 abgeschlossen sein muss, um nicht nach den Europawahlen neu aufgerollt zu werden. Nach dem Wechsel von Burkhard Balz zur Bundesbank übernimmt der Abgeordnete Othmar Karas die Ko-Berichterstattung für die Christdemokraten (EVP).
Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion
im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
“Wir müssen jetzt
die Weichen stellen, dass die europäischen Finanzmärkte eine wirklich
handlungsfähige gemeinsame Aufsicht bekommen. Für eine echte Kapitalmarktunion
braucht die europäische Finanzaufsicht endlich mehr Kompetenzen und Ressourcen
im Bereich Verbraucherschutz.
Die Governance der europäischen Aufseher
sollte dringend durch ein unabhängiges Direktorium gestärkt werden,
um die Blockademöglichkeiten durch die nationalen Aufsichtsbehörden
zu reduzieren. Bisher konnten die nationalen Aufseher regelmäßig
Entscheidungen der europäischen Ebene behindern. Viele gesetzliche Kompetenzen
der EU-Finanzaufseher wurden daher faktisch kaum genutzt. Gemeinsam mit Sozialdemokraten
(S&D), Linke (GUE) und Liberale (ALDE) setzen wir Grünen uns für
die Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit der Finanzaufsicht
ein. Wir Grünen fordern gleichzeitig die starke Verankerung des Proportionalitätsprinzips,
um die Bürokratie der Finanzmarktregulierung gerade für kleine und
solide Unternehmen zurückzudrängen.
Mit seiner Ablehnung jeglicher
Stärkung der europäischen Entscheidungsfähigkeit hat sich der
ausgeschiedene Ko-Berichterstatter Burkhard Balz (CDU) leider gegen eine echte
Kapitalmarktunion positioniert. Der neue Ko-Berichterstatter der Christdemokraten
Othmar Karas ist jetzt gefordert, die Position der Christdemokraten im Sinne
eines pro-europäischen Kompromisses zu korrigieren. Die für die europäischen
Finanzmärkte dringend notwendigen Reformen dürfen nicht von nationalen
Bedenken ausgebremst werden.
Gemeinsam mit den Christdemokraten (EVP) setzen
wir uns für eine stärkere Unabhängigkeit des Europäischen
Rats für Systemstabilität (ESRB) ein. Zu lange wurden makroprudenzielle
Warnungen nicht ernst genommen, mit erheblichen Risiken für die Finanzstabilität.
Das Finanzsystem ist 10 Jahre nach dem Höhepunkt der Krise noch stärker
aufgebläht als vor der Krise. Nur durch mehr Unabhängigkeit von der
europäischen Zentralbank kann der ESRB seine Aufgaben in der makroprudienziellen
Aufsicht glaubwürdig wahrnehmen und Finanzmarktakteuren wichtige Signale
geben, wenn Systemrisiken drohen. Makroprudenzielle Risiken sollen zukünftig
von einem ESRB mit unabhängigem Vorsitzenden effektiver adressiert werden.
Wir
Grünen fordern in unseren Anträgen, dass die ESAs zukünftig verdeckte
Testkäufe (mystery shopping) durchführen dürfen, um grenzüberschreitend
zu überprüfen, ob Finanzunternehmen Verbraucher wirklich schützen.
Anlaufstellen für Whistleblower, die Informationen über mögliche
Rechtsbrüche mitteilen möchten, sollen sichtbarer und besser zugänglich
werden. Die Finanzaufseher müssen in ihren Stresstests von Finanzinstitutionen
zukünftig auch Klimarisiken berücksichtigen, die unser Finanzsystem
mit dem fortschreitenden Klimawandel bedrohen. Angesichts der zahlreichen Fälle
schwerwiegenden Versagens nationaler Aufseher bei der Bekämpfung von Geldwäsche,
fordern wir hierzu starke Kompetenzen für die europäische Finanzaufsicht.”
Grüne Schlüsselforderungen:
Stärkung der
Governance durch unabhängiges Direktorium der ESAs
Stärkung des Mandats in den Bereichen Verbraucherschutz und Nachhaltigkeitsrisiken
Mandat für verdeckte Testkäufe (Mystery Shopping) für effektiveren
Verbraucherschutz
Von der EZB unabhängiger Vorsitzender für den ESRB
Sichtbare und leicht zugängliche Anlaufstellen für Whistleblower
einrichten
Mandat zur Einrichtung von Koordinationsplattformen für nationale
- Aufseher von Finanzunternehmen, die ihre Dienste grenzüberschreitend
anbieten
Mandat für die Geldwäschebekämpfung
Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber Europaparlament
Carbon-Stress-Tests zur Analyse von Klimarisiken für das Finanzsystem
Zentrale Datenbank für Reporting-Daten und Verbraucherbeschwerden
einrichten
Mehr Ressourcen für Verbraucherschutz- und Nachhaltigkeitsaufgaben