Verschleiernde Rhetorik: Merkel am vergangenen Donnerstag in Berlin -
Quelle AFP
Das "Thema Flüchtlinge" spalte dieses Land ein Stück weit – das sagte Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche in Augsburg. Was wie eine harm- und hilflose Formulierung daherkommt, ist in Wirklichkeit der Versuch, die eigene Verantwortung zu verbergen.
Vergangene Woche sagte Angela Merkel auf einer Veranstaltung der Augsburger Allgemeinen,
es sei eine Tatsache, "dass das Thema Flüchtlinge dieses Land ein Stück
weit spaltet". Sie fügte hinzu, dass diese Entwicklung unterschiedliche
politische Positionen rechtfertige, "aber nicht diese Art von Hass.
Diese völlige Enthemmung in der Sprache ist etwas, das wir nicht
tolerieren dürfen in Deutschland."
Diese Worte der Kanzlerin
klingen zunächst einmal einsichtsvoll, mancher wird vielleicht einen
Hauch von Selbstkritik in ihnen entdecken. Bei genauerer Betrachtung
beinhalten sie jedoch das genaue Gegenteil: Eine Bestätigung der eigenen
Position und eine Delegitimierung der ihrer Kritiker.
Was
zunächst einmal merkelhaft tapsig daherkommt, sind in Wahrheit
absichtsvoll gesetzte Worte. Die Kanzlerin spricht vom "Thema
Flüchtlinge", nicht von "Flüchtlingspolitik". Damit nimmt sie sich zum
ersten selbst aus dem Spiel und vermeidet es, von ihrer Politik und
ihrer Entscheidung im September 2015 zu sprechen. Ein "Thema
Flüchtlinge" ist einfach so da, spricht man dagegen – wie es angezeigt
gewesen wäre – von Flüchtlingspolitik, kann man konkrete Entscheidungen
und Verantwortlichkeiten nicht einfach außen vorlassen.
Zum
zweiten impliziert das Reden vom "Thema Flüchtlinge", dass sich jede
Kritik gegen ihre konkrete Politik gegen die Menschen selbst richtet,
also per se menschenfeindlich ist. Das ist so falsch wie perfide. Man
kann Merkels Politik für grundfalsch halten und die Anwesenheit einer
siebenstelligen Zahl von Flüchtlingen in Deutschland für katastrophal
und gefährlich, ohne etwas gegen die Flüchtlinge als Individuen zu
haben, ohne Rechtsextremist oder Rassist zu sein. Genau in diese Ecke
stellt die Kanzlerin aber Kritiker ihrer Politik.
Es war die
Kanzlerin selbst, die mit der Moralisierung ihrer Politik für die
Emotionalisierung der Flüchtlingsdebatte sorgte. Die Grenzöffnung für
Flüchtlinge wurde von ihr als Akt der Humanität präsentiert, ohne dass
die politischen Motive hinter dieser Entscheidung thematisiert wurden.
Mit diesem Kunstgriff zog sie praktisch das gesamte "linke" politische
Lager auf ihre Seite, während Kritiker ihrer Politik von vornherein als
unmoralisch und menschenfeindlich gelten konnten. An der folgenden
Eskalation der Flüchtlingsdebatte, der "Enthemmung in der Sprache", die
sie selber beklagt, hat die Kanzlerin also selbst einen entscheidenden
Anteil.
Es gehört zu Merkels Stil, Probleme als vom Himmel
gefallen und ihre Entscheidungen als alternativlos zu verkaufen. Radikal
daherkommende Proteste gegen ihre Politik spielen ihr dabei in die
Hände und erlauben ihr und ihren medialen und politischen Verbündeten,
eine wirkliche Debatte über Migration und Sicherheit zu vermeiden. Doch
diese Debatte muss geführt werden. Ihre Kritiker sollten es besser
machen als die Kanzlerin und die Folgen ihrer Politik sachlich, ehrlich
und beharrlich aufzeigen.