Wassili Wolga
ist Vorsitzender der »Allianz linker Kräfte«, einer marxistischen
Sammlungsbewegung in der Ukraine - Foto: Archiv edition ost
In einem Jahr, im Oktober 2019, finden in der Ukraine Parlamentswahlen
statt. Schon im März wird ein neuer Präsident gewählt. Der Wahlkampf
ist längst eröffnet. Die ukrainischen Linken, zersplittert und uneins
wie das ganze Land, versuchen sich schon seit Jahren neu zu sortieren. Ihr Bündnisprojekt
»Allianz linker Kräfte« sammelt auf einer marxistischen Plattform
die Versprengten. Seit wann besteht das Bündnis?
Wassili
Wolga: Wir existieren seit 2007, haben uns aber 2015 neu formiert. Nach
dem Verbot der KP und zwei anderer linker Parteien haben wir faktisch aus Mitgliedern
von fünf Organisationen und parteilosen Linken eine neue, eine marxistische
Plattform geschaffen. Unter dieser Fahne versammeln sich inzwischen mehrere
zehntausend Anhänger.
Was sind die Schwerpunkte Ihrer politischen
Arbeit?
Wassili Wolga: Zunächst und vor allem wollen wir
Frieden im Osten. Wir unterstützen alle Vorhaben, die der Deeskalation
und Beendigung des Bürgerkrieges nützen. Wir wollen auch keine Abtrennung
der Ostukraine, sondern eine souveräne, unabhängige und neutrale Ukraine.
Stehen
die ideologischen und politischen Gräben im Land dem nicht entgegen?
Wassili
Wolga: Die politische Spaltung der Gesellschaft wurzelt doch in erster Linie
in der miserablen Wirtschaft und den daraus resultierenden sozialen Problemen.
Deshalb fordern wir Programme zur Bekämpfung der wachsenden Armut und die
Rücknahme von Privatisierungen sowie einen entschiedenen Kampf gegen Korruption
und Kriminalität. Wir lehnen die nationalistische und stramm antikommunistische
Politik der Regierung Poroschenko ebenso ab wie die Duldung faschistischer Kräfte
im Lande, den Antisemitismus und die Unterdrückung von Minderheiten.
Sie
selbst sind von Neonazis des Asow-Bataillons wegen Ihrer vermeintlich prorussischen
Haltung attackiert worden.
Wassili Wolga: Das trifft zu. Überfälle
auf Linke gehören zur nationalistischen, repressiven Politik der herrschenden
»Patrioten«. Die richtet sich nicht nur gegen Oppositionspolitiker
wie mich, sondern gegen alle, die dem antirussischen, chauvinistischen Kurs
Kiews nicht bedingungslos folgen, weil der in die Katastrophe führt. Wir
waren am 22. April 2016 zu fünft, als wir in Saporischschja zusammengeschlagen
wurden. Keiner der Täter wurde verhaftet oder verurteilt, statt dessen
rühmten sie sich später im Fernsehen ihrer Taten. Ich erstattete Anzeige.
Und als nichts geschah, verklagte ich die Polizei. Das Gericht gab mir recht
und forderte von den Ermittlungsbehörden, aktiv zu werden. Innenminister
Arsen Awakow interessiert das nicht, das Urteil blieb ohne Folgen. Andernorts
wurden faschistische Mörder demonstrativ mit Brot und Salz vor den Gefängnistoren
in der Freiheit willkommen geheißen, welche sie für lächerlich
kurze Zeit verloren hatten. Die Ermittlungen zur Ermordung der Journalisten
Oles Busina 2015 und Pawel Scharamet 2016 verliefen ergebnislos, auch der Massenmord
in Odessa am 2. Mai 2014 ist bis heute unaufgeklärt und wurde vertuscht.
All das sind für mich Indizien eines Polizeistaates. Mit Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie hat das nichts zu tun.
Und deshalb will Ihre Sammlungsbewegung
auch bei den Parlamentswahlen antreten, um das zu ändern?
Wassili
Wolga: Wir wollen, aber wir dürfen nicht, weil wir eine marxistische
Organisation sind. Marxisten sind geächtet und verboten. Das Gesetz über
die »Dekommunisierung« der Ukraine, welches das jetzige Regime im
April 2015 in Kraft setzte, verurteilte die Vergangenheit von 1917 bis 1991
als verbrecherisch. Parteien und Organisationen, die das nicht so sehen, wurden
»dekommunisiert«. Und Denkmale von Lenin, Dzierzynski, Kirow und
anderen Persönlichkeiten der Sowjetgeschichte wurden abgerissen, Straßen
und Städte bekamen neue Namen. Zum anderen hat die Opposition sich nicht
nur staatlicher Repressionen zu erwehren, sondern auch des öffentlichen
Drucks und der Bedrohung sowie der Beschneidung und Unterbindung der Meinungs-
und Pressefreiheit insgesamt. Jede Kritik an der Regierungspolitik wird als
»Separatismus« verfolgt. Die rechtliche Handhabe wurde mit diversen
Paragraphen im Strafgesetzbuch geschaffen. Das Regime schützt sich vor
der Justiz inzwischen auch mit einer Wagenburg.
Und was macht die
»Sozialistische Partei der Ukraine«, kurz SPU, deren Vorsitzender
Illja Kiwa sich um das Amt des Präsidenten bewirbt?
Wassili Wolga:
Diese Partei ist so sozialistisch wie die »Nationalsozialisten«
in Deutschland. Also blanke Demagogie. Kiwa ist ein Jünger von Nationalisten
wie Bandera oder Petljura, also rechter Terroristen. In seiner Heimatregion
Poltawa begründete er den faschistischen »Rechten Sektor«.
Jemand,
der in der Ukraine als Marxist verurteilt und ins Gefängnis geworfen wird:
Wie würden Sie diesen bezeichnen?
Wassili Wolga: Das ist
ein politischer Häftling. Nach unserer Übersicht gibt es davon inzwischen
über 5.000. Wobei viele nicht mal ein Urteil erhalten haben: Sie sitzen
nur aufgrund von Anschuldigungen in Haft, andere verschwanden spurlos in Gefängnissen
des Inlandsgeheimdienstes SBU.
Anmerkung atheisten-info: Hat man vom Rechtsextremisnus in der Ukraine in den westlichen Medien irgendwann irgendwo was zu lesen bekommen? Ja, es gab eine paar Sachen zu lesen, aber Thema ist das eigentlich keines, z.B. zum deutschen Rechtsextremistenaufmarsch in Kiew schrieb nur die "Junge Welt" was...