Angela Merkel hat ihren Rückzug vom Parteivorsitz
angekündigt, doch ihre Flüchtlingspolitik wird die CDU weiter begleiten.
Ein Ende der gesellschaftlichen und politischen Polarisierung in dieser
Frage ist nicht in Sicht - auch wegen des Versagens der Linken.
Im Juli hatte RT Deutsch in einem Kommentar
die Asylpolitik als die Agenda 2010 der Union bezeichnet. Mittlerweile
haben führende CDU-Vertreter diese Einschätzung bestätigt. Annegret
Kramp-Karrenbauer, Generalsekretärin und Kandidatin für die Nachfolge
Angela Merkels für den Parteivorsitz, zog den Vergleich vergangene Woche
in einem Interview mit dem Focus. Jens Spahn,
Gesundheitsminister und ebenfalls Kandidat für den Parteivorsitz, warnte
vor einigen Tagen in einem Gastbeitrag in der FAZ, der als
Bewerbungsrede verstanden werden kann, dass die Flüchtlingspolitik zur
Agenda 2010 der Union werde, wenn man sie nicht zu Ende diskutiere.
Das
zeigt vor allem eines: Die Union wird das Thema Flüchtlingspolitik
nicht los, obwohl etwa die Kanzlerin und Noch-Vorsitzende Merkel vor der
Hessen-Wahl geradezu flehentlich darum gebeten hatte, das Thema ruhen
zu lassen. Das Thema verfolgt die Union, es wird eine zentrale Rolle bei
der anstehenden Wahl ihres Vorsitzenden, bei der künftigen inhaltlichen
Ausrichtung und den möglichen Koalitionen der Partei spielen.
Hauptursache
für die anhaltende Bedeutung des Flüchtlingsthemas für die Union und
darüber hinaus ist, dass es eine moralische Aufladung erfahren hat, die
nicht wieder rückgängig zu machen ist. Die Flüchtlingsdebatte hat sich
zu einer Art Kulturkampf entwickelt, in dem die politische Korrektheit
des liberalen Mainstreams kritische Stimmen als extremistisch zu
delegitimieren versucht.
Das hat zu einer scharfen
gesellschaftlichen Polarisierung und auch zu einer parteipolitischen
Zuspitzung geführt. Eine sachliche Diskussion der realen Probleme ist
unter diesen Verhältnissen unmöglich. Von der Polarisierung in der
Gesellschaft, das haben die jüngsten Wahlen gezeigt, profitieren
ausschließlich die Parteien mit einer klaren Positionierung in der
Flüchtlingsfrage: Die Grünen und die AfD. Alle anderen verlieren oder
stagnieren.
Die gesellschaftliche und politische Polarisierung ist
letztlich Folge der offiziellen Darstellung der Merkelschen
Grenzöffnung 2015 als humanitäre Maßnahme. Weder die Unterstützer dieser
Flüchtlingspolitik noch ihre Kritiker stellen diese moralische Deutung
in Frage. Dabei liegt es auf der Hand, dass Politik auf dieser Ebene
nicht moralischen, sondern Nützlichkeitserwägungen folgt. In diesem Fall
dürfte es darum gegangen sein, der deutschen Wirtschaft ohne politische
Debatte ein paar Hunderttausend Arbeitskräfte für den Niedriglohnsektor
zu schenken und die Union näher an das liberale städtische Bürgertum zu
rücken und so kompatibel mit den Grünen zu machen.
Jede
Kritik, die nicht die Motive der damaligen Flüchtlingspolitik
anspricht, kann zwar einzelne Probleme aufdecken, greift aber letztlich
zu kurz. Es ist das Dilemma der "Linken", dass sie an diesem Punkt
völlig versagt. Es sollte für eine linke Deutung der Politik Merkels auf
der Hand liegen, ihre Migrationspolitik als Element ihrer Wirtschafts-
und Sozialpolitik zu verstehen, die natürlich negative Folgen für das
untere Drittel der Gesellschaft hat. Dies offen auszusprechen und zu
diskutieren, könnte wenigstens einen Ansatz zur Überwindung der
Polarisierung bieten. Man könnte wieder über konkrete Interessen und
Probleme reden, statt nur über Gut und Böse.
Stattdessen
geht das "linke" Lager fast geschlossen unter dem Motto "unteilbar" auf
die Straße - und übersieht, dass die "offene Gesellschaft" die
Ideologie der Gated Communitys ist und der Überbau eben der neoliberalen
Politik, die immer mehr Lebensbereiche der Menschen den Regeln des
Marktes unterwirft. Die "Linke" bleibt so lange Geisel der Merkelschen
Politik, wie sie sich nicht selbst durch eine klare Analyse und einer
daraus folgenden linken Kritik der Migration daraus befreit.
Auch
für die Union ist und bleibt die gesellschaftliche Polarisierung ein
Problem. Es kann unter diesen Umständen keinen Ansatz geben, mit dem
sich verlorengegangene Wähler von der AfD und den Grünen zurückgewinnen
ließen. Es ist für die Union auch keine Option, auf die Arbeitsmigration
im jährlich sechsstelligen Bereich zu verzichten, die seit Jahrzehnten
zum Geschäftsmodell der deutschen Eliten gehört, aber von den Parteien
eher unter dem Teppich gehalten wird. Klar ist, dass die künftige
Flüchtlingspolitik restriktiver sein wird und es Abenteuer wie das von
2015 mit der Union nicht mehr geben wird.
Von welcher Rhetorik
diese Politik begleitet sein wird, wer die Partei anführen und welche
Bündnispräferenzen sie haben wird - all das entscheidet sich in diesen
Wochen. Es zeichnet sich ab, dass eine Partei unter Kramp-Karrenbauer
mit Armin Laschet im Hintergrund relativ nahe an der Linie Merkels
bleiben würde, und damit anschlussfähig für die Grünen. Ein Jens Spahn
oder Friedrich Merz an der Spitze würde die Partei wenigstens von ihrem
Auftreten her nach rechts verschieben und sie wohl punktuell für eine
Zusammenarbeit mit der AfD öffnen. Wirkliche inhaltliche Differenzen
muss es dabei zwischen den Lagern in der Migrationsfrage gar nicht
geben.
Spannender noch als die Frage, wer im Rennen um den
CDU-Vorsitz obsiegen wird, bleibt die Frage, ob es mit einer neuen
Parteiführung eine Abkehr von der Post-Politik der Merkel-Ära geben
kann, die politische Entscheidungen ausschließlich moralisch begründet,
und von der dieses Land in den letzten Jahren mehr bekommen hat, als es
vertragen kann.
Dazu ein YouTube-Clip:
"Kritik der Migration" - Österreichischer Historiker Hannes Hofbauer im Gespräch
Normalerweise kennt man Kritik an Migration eher vom rechten politischen Spektrum. Nun aber hat ein linker Historiker ein ganzes Buch zum Thema geschrieben. Hannes Hofbauers neues Werk "Kritik der Migration" stellt die Frage, wer dabei verliert und wer davon profitiert. Im Gespräch mit Jasmin Kosubek erläutert Hofbauer, wie der Migrant als Deregulierer für Arbeits- und Wohnungsmarkt missbraucht wird und warum die linke Parole "No Border" nichts anderes als eine kapitalistische Forderung ist.
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Nachbemerkung atheisten-info: Es ist eine sehr kuriose Sache, dass heute Medien wie RT (früher als "Russia Today" bekannt) unzensierte Meldungen verbreiten und sich dadurch hohen Zuspruchs erfreuen dürfen, RT ist auf YouTube mit sieben Milliarden Zugriffen das meistgesehene Nachrichtenportal. Die westlichen Medien - besonders die sich selber als "Qualitätsmedien" sehen, unterziehen sich freiwillig der sehr strengen Selbstzensur der "politischen Korrektness". Und Leute, die wissen wollen, was wirklich passiert, die müssen eben diese von den selbsternannten höchstmoralischen Gutmenschen institutionalisierte Zensur umgehen! Was auf dieser Site ja auch ständig passiert, der Betreiber ist darum - politisch korrekt ausgedrückt, ein Bösmensch...