Welches Land die Menschheit bedroht...
...und in die Barbarei führt
Michael Hudson ist Finanzanalytiker und Wirtschaftswissenschaftler. Er hat an
der Wall Street gearbeitet und Regierungen beraten. Trotzdem hat der
Ökonom mit interessantem biografischem Hintergrund seinen kritischen
Blick auf den US-Imperialismus nie aufgegeben, wie er in einem Beitrag
für die Zeitung "junge Welt" zeigt.
"Die
größte barbarische Bedrohung ist die finanzielle und militärische
Aggressivität der USA gegen jedes Land, das eine eigene unabhängige
Außen- oder Wirtschaftspolitik anstrebt." Das schreibt der
US-Finanzanalytiker und Wirtschaftswissenschaftler Michael Hudson in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "junge Welt".
In dem am Dienstag veröffentlichten Text meint Hudson: "Die
US-Regierung hat China und Russland als langfristige Hauptgegner
in dieser Hinsicht ausgemacht. Deutschland und andere europäische Länder
sollen für diese Strategie in ihre Einflusssphäre gezogen werden."
Der
Finanzexperte, der selber an der Wall Street erfolgreich aktiv war,
schätzt die US-Politik klar und deutlich ein. Er weiß als ehemaliger
Regierungsberater, wovon er redet. Hudson (Jahrgang 1939) ist Patensohn
von Leo Trotzki. Er veröffentlichte 1972 sein Hauptwerk "Super
Imperialism", das 2018 unter dem Titel "Finanzimperialismus"
erstmals auf Deutsch erschien. Es hat nichts an Aktualität verloren,
weil es die bis heute wirkenden Grundzüge der Entwicklung beschreibt.
Dominanz der US-Interessen
In der "jungen Welt" schreibt er, die US-Diplomatie habe seit dem
Zweiten Weltkrieg die europäische Politik durch verdeckte und oft
gewaltsame Interventionen beeinflusst. Hudson verweist beispielhaft auf
die Obristen-Herrschaft in Griechenland oder die verdeckt agierende
NATO-Armee "Gladio" in Italien. "Durch den Aufbau der NATO hat
Washington versucht, die europäische Außenpolitik zu dominieren."
Aber auch beim Euro sieht er US-Interessen im Hintergrund:
"Die Euro-Zone wurde ohne eine Zentralbank, die
nationale Haushaltsdefizite finanzieren kann, angelegt. Dadurch wurde
ein System der Sparpolitik auferlegt, das sicherstellt, dass die
Währungsgemeinschaft keine Bedrohung für die Dollar-Hegemonie wird."
Hudson beschreibt prägnant, wie die USA andere Nationen von sich
abhängig und sich selbst auf diese Weise vermeintlich unverzichtbar
machen. Das geschieht nach seinen Worten mit allen Mitteln: "Der
Finanzimperialismus der USA wurde nach 1945 durch das
Bretton-Woods-System abgesichert. Im Internationalen Währungsfonds (IWF)
haben die Vereinigten Staaten ein Vetorecht. Sie können widersprechen,
wenn Kredite an Länder vergeben werden sollen, die gegen die neoliberale
Außenpolitik der USA verstoßen."
USA lassen Krieg führen
Für den Finanzanalytiker ist außerdem klar:
"Die Vereinigten Staaten haben eine eigene
Fremdenlegion in Form von Al-Qaida und anderen terroristischen Gruppen
geschaffen, um Länder anzugreifen, die sich gegen den Verkauf ihrer Öl-
und Rohstoffressourcen an multinationale US-Konzerne wehren."
Solche Kriege seien für die US-Strategen notwendig, um den
Geldimperialismus auszudehnen. Dessen Hauptziel sei nach wie vor der
Nahe Osten.
Aus
Hudsons Sicht erwarten die herrschenden Kreise in den USA, dass die
europäischen Staaten die "unbeabsichtigten Folgen" der US-Politik unter
anderem in Form Tausender Flüchtlinge aufnehmen. Ihn erstaune, "wie die
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einerseits die Einwanderung von
Flüchtlingen ablehnen können, andererseits aber als unbedingte
Befürworter der NATO und der Zerstörung des Nahen Ostens als Verursacher
für die Vertreibung der Menschen auftreten."
Imperialismus lebendig wie nie
Er warnt: Wenn die europäischen Regierungen sich nicht gegen diese
Politik der USA wehren, würden sie zu "Komplizen des US-amerikanischen
Weges zur Barbarei". Krieg sei "nur ein Mittel, mit dem der
Imperialismus seine Ziele durchsetzt", erklärt Hudson außerdem im
Interview mit der Zeitung.
"Imperialismus bedeutet, sich die Einkommen und
das Eigentum anderer Länder anzueignen; deren Politik zu bestimmen, sie
abhängig von der imperialen Macht zu machen. Der Imperialismus schafft
ein internationales System, das unmittelbar vom Zentrum regiert wird."
Die USA würden ihre Interessen global durchsetzen, indem sie ihre
eigenen Regeln schaffen und anderen Ländern aufzwingen. "Der
Imperialismus hat eine totalitär geplante Wirtschaft geschaffen. Die
Wirtschaft in der Peripherie wird vom ökonomischen Zentrum gelenkt. Die
wesentlichen Akteure sind dabei die Vertreter der Wall Street und des
Militärs."
Warum Russland bekämpft wird
Mit Blick auf die militärischen Mittel, um die US-Interessen durchzusetzen, schreibt Hudson:
"Auf militärischem Gebiet nehmen die USA für sich in Anspruch, jedes
Land angreifen zu können. Kein Staat darf über ein militärisches
Verteidigungssystem verfügen, das einer Intervention standhalten kann.
Deshalb ist Washington das russische Verteidigungssystem ein so großer
Dorn im Auge. Die Aufgabe der NATO ist es, sicherzustellen, dass ein
eskalierender Konflikt zwischen Russland und den USA in erster Linie auf
europäischem Boden ausgetragen wird."
Hudson schätzt in dem Interview ein, das der jetzige US-Präsident
Donald Trump keine andere Außenpolitik als sein Vorgänger Barack Obama
betreibt. Der Grund: Trumps Politik werde ebenfalls von Vertretern des
sogenannten tiefen Staates bestimmt, von Vertretern der Geheimdienste
NSA und CIA. In militärischen Fragen halte er sich "an die alten Kalten
Krieger, die einen militärischen Konflikt in der Ukraine
heraufbeschwören wollen, der sich in Europa ausbreiten soll".
Ebenso
erinnert er daran, was die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für
das Militär bedeuten, die die USA von den EU-Staaten fordern. Unter den
geltenden EU-Verträgen sei mehr Geld für Waffen nur möglich, wenn bei
Sozialprogrammen gespart wird. "Dies ist ein Nebenprodukt des
Imperialismus: Kürzungsprogramme werden in der Peripherie durchgesetzt,
damit die Vermögen in den USA steigen."