Höllenstrafen: Psychiatrie auf dem Holzweg

Publiziert am 10. August 2019 von Frank Sacco auf https://www.zum-muendigen-buerger.de/

Prof. Dr. A. Diefenbacher, Chefarzt des Evangelischen Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge, Berlin, Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité, wurde von mir als Vortragender auf dem internationalen Internisten Kongress auf Mallorca 2012 gefragt, ob die Androhung ewiger Folter im Buch von Bischof Schneider Kinder krank machen könne. Der droht ja ganz offen mit einer Hölle, in der ein Jesus mit Feuer foltern werde. Und diese Botschaft „Jesu“ sei verstörend. Nein, war die erste Antwort Diefenbachers, Märchen seien ja auch grausam. Dann war er sich doch etwas unsicher. Die Antwort später schriftlich: Man habe sich im Mitarbeiterkreis besprochen. Das Ergebnis: Es fehle bei der Androhung der Hölle die wirkliche Höllenerfahrung.

Erst dann, durch ein tatsächliches Erleben eines Traumas, in diesem Fall der Hölle, können eine „zerebrale Fehlverarbeitung“ und damit eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entstehen. Durch eine bloße „Imagination“ (gedankliche Vorstellung) von Hölle sei das gar nicht möglich. Es ergibt sich daraus seine These, ich die „Berliner-Psychiater-These“ nenne, bloße Bedrohung mit ewiger Feuer-Folter könne kein gravierendes Trauma sein und nicht krank machen. Das widerspricht jeder menschlichen Erfahrung. Das widerspricht unserem Gesetz, das jede Bedrohung mit Folter strengstens verbietet, eben weil eine solche Drohung krank macht. Der Bedroher macht sich nach dem Gesetz also auch dann schon schuldig, wenn der Bedrohte keine Folgeerkrankung aufweist. Die Berliner These widerspricht sogar der psychiatrischen Lehrmeinung. Unter www.seele-und-gesundheit.de lesen wir bei PTBS: „Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wird durch traumatische Belastungen ausgelöst. Einerseits sind elementare Erschütterungen zu nennen, die Leib und Leben des Betroffenen objektiv in Frage stellen. Andererseits kann die Erkrankung auch durch Traumatisierungen der seelischen Integrität verursacht werden.“ In der Psychose kann dann die Integrität der ganzen Person durch religiöse Ängste vor ewiger Verdammnis in ihre Bruchstücke zerfallen.

Die Psychiatrie schweigt also vornehmlich und verschweigt sogar das Wesentliche auf dem Internationalen Internisten Kongress auf Mallorca. 2013 hielt der Österreichische Psychiater Prof. Dr. Herwig Scholz, Diakonie Villach, einen Vortrag über Manie. Händel habe in einer Manie das Oratorium der „Messiah“ geschrieben, also religiöse Denkinhalte gezeigt. Dass derartige Denkinhalte öfters bei Manien vorkommen, wurde kopfnickend bestätigt. In der Diskussion wurde coram publico angesprochen, dass beide Großkirchen Dogmen wie ein Jüngstes Gericht, eine ewige Hölle und bei den Katholiken ein Fegefeuer verträten. Wie sich das psychohygienisch auswirken würde, so meine Frage an Scholz. Ein leises Raunen ging durch das Plenum. Scholz: „Darauf antworte ich nicht.“

Er sagte also nicht, dass er keine Antwort wisse. Natürlich wirkt sich die ernsthafte Androhung jeder Feuerfolter psychohygienisch katastrophal auf Kinder aus. Das weiß Scholz als guter Psychiater. Kann er aber so nicht antworten? Will er seine Arbeit behalten? Wird er bezahlt von der Diakonie? Scholz konnte aber auch nicht behaupten, derartige Drohungen würden zu keinerlei Schäden führen. Das hätte ihn seine wissenschaftliche Reputation gekostet und ihm einen mallorkinischen „Lacherfolg“ eingebracht. So hatten wir 2013 das absolute Novum bei einem Internisten Kongress, dass eine Antwort auf eine Frage nicht erteilt, ja trotz unterstellten Wissens verweigert wurde. Über das Thema Religion habe er, Scholz, immer gegenüber Patienten geschwiegen. „Sie sollten aber schon über Religion sprechen“, so mein Einwand. Er sei doch „der Spezialist für Religion“. Nein, so die Erwiderung, solche Fälle würde er zu „sehr guten“ Theologen überweisen. Aber das seien doch Diejenigen, die die angesprochenen Dogmen vertreten würden, so mein Einwand. Die Antwort des Psychiaters auf dem Kongress: „Ja“. Hier unterbrach der Diskussionsleiter die Diskussion. Das Thema wurde zu heiß.

Diese „sehr guten“ Theologen stellen lt. der Zeitung „Die Zeit“ vom 31.3.2010, Seite 57, folgende Diagnose: „Vom Teufel besessen“ seien die Überwiesenen. Die mit-interviewte Analytikerin Prof. Leuzinger – Bohleber schweigt dazu! Sie schluckt diese Diagnose. Und mit den Schwerkranken macht man natürlich Folgendes: Einen Exorzismus. „Aus juristischen Gründen“, denn man ist ja nicht dumm, nimmt man dazu heute drei Psychoanalytiker mit ins Boot und schaut gemeinsam: Psychisch krank, oder vom Teufel besessen (Quelle: Die Welt, 12.5.14, S. 23)? Dann kann sich kein Hausarzt später beschweren, wenn im Rahmen der Teufelsaustreibung sein Patient stirbt, so wie z. B. 1976 die arme Anneliese Michel. Gegen die geballte Kraft von mehreren getauften Psychoanalytikern kommt kein Staatsanwalt an, so krank meine Kollegen auch sein können oder sein dürften. Doch man staune: Es würden auch häufig Psychologen als „Berater“ hinzugezogen. Also sind auch unsere nichtärztlichen Seelenprofis mit von der Partie. Eine zitierte Analytikerin: „Zeichen für echte Besessenheit (vom Teufel, der Verf.) gibt es durchschnittlich nur in zwei von zehn Fällen.“ Gott sei Dank, möchten wir da rufen: In nur jedem 5. Patienten steckt der Teufel. Die Analytikerin hat extra über der Couch ein Kruzifix aufgehängt, mit dem sie den Teufelstest mache. So einfach geht also Psychiatrie. Auch ihr selbst sei der Teufel einmal untergekommen, weiß die Akademikerin.

Mein Misstrauen in diese Psychiatrie sei Wahn, meinte eine Psychiaterin in ihrem Gutachten für die Approbationsbehörde zu mir. Wahrscheinlich wollte sie mir erheblich schaden oder unterlag damit einer Projektion: Sie hat den Wahn, den sie mir zuschreibt. Kritik möchte man halt nicht und gute Ratschläge schon gar nicht. Zu stark ist das hinter der starken Maske verborgene Minderwertigkeitsgefühl. Fazit: Es ist also dem Augenschein nach der Psychiatrie wohl bekannt, was sie macht. Sie überweist von Fundamentalisten krank Gemachte zu eben diesen Fundamentalisten „zur Behandlung“. Dieser hat sein „Arztzimmer“ ja auch nur ein paar Schritte weiter. Der Kunstfehler aber: Dieses Arztzimmer ist keines. Es ist ein Gebetszimmer. Hier wird nach etwaigen Sünden gefragt und gebetet, Gott möge doch die Erkrankung bessern, er möge doch dem Sünder seine Sünden verzeihen, er möge doch dem Patienten auf diese Weise die Ewigkeit im Abgrund ersparen. Die Krankheit wird als Prüfung Gottes oder als seine Strafe hingestellt.

Und: Der liebe Gott solle doch zusehen, dass endlich der Teufel aus dem Patienten weiche. Im Gebetszimmer wird also die angebliche Folterhölle eines Jesus entweder bestätigt oder nicht ad absurdum geführt. Das treibt Schwerkranke in geschlossene Abteilungen oder in den Suizid. Auch die Therapie der größten Angst des Menschen gehört in die Hand eines Mediziners – und nicht in die Hände der Verursacher. Die Psychiatrie ist auf dem Gebiet von Religion und Religionsschäden autistisch stumm. Das ist ihre Krankheit. Ein Badezimmereinrichter sollte schon einmal etwas von Wasserhähnen gehört haben und sich auch über diese unterhalten können. Wenn er Wasserhahnangst hat, hat er den verkehrten Beruf oder muss sich auf dem Sektor fortbilden.

Kollege und Neurologe Dr. Winterhoff, Celle, gibt auf einem Fortbildungsabend tatsächlich und ganz offen zu, dass man als Psychiatrie kirchengschädigte Patienten, also Patienten mit einem Sacco-Syndrom, nicht selbst in Gesprächen therapiert. Man überweise sie „zu den Verursachern“, wie es hieß.

Zum Klerus. Die Leiterin der Fortbildung machte der Niedersächsischen Ärztekammer darüber Meldung, ist dieses Vorgehen ja wohl einmalig in der Medizin. Wir Internisten schicken Alkoholkranke ja auch nicht in die nächste Kneipe. Und das auch noch regelmäßig.