Pervertierte Finanzpolitik

Wilfried Müller am 6.7.2020

Um uns herum baut sich ein pervertiertes Finanzsystem auf. Schulden werden aufgetürmt, ohne dass noch damit gerechnet wird, dass jemand sie bezahlt. Für Normalverbraucher und andere Benachteiligte gibt es diese Möglichkeit aber nicht. Das sind die letzten, die ihre Schulden noch zurückzahlen müssen. Es gibt eine willkürliche Grenze, bis wohin regulär verzinst und getilgt werden muss. Sie geht bis zu kleinen Staaten und Bundesländern:

Irland, Island und Zypern mussten ihre Schulden selber tilgen.
Die deutschen Landesbanken zahlen Zinsen und Tilgung in Milliardenhöhe.

Das sind größere Posten im Haushalt als die größten Bauprojekte - zusammen haben die Landesbanken ca. 100 Mrd. Euros verbrannt, d.h. das Geld ist weg ohne jede Gegenleistung.

Erstaunlich ist, dass es keinen Aufstand dagegen gab, und auch gegen die pervertierte Finanzpolitik regt sich kein Protest.

Z.B. Griechenland und Italien zahlen fast keine Zinsen und tilgen nichts. Dabei sind ihre Schulden mit regulären Mitteln nicht mehr zu bezahlen. Unabhängig von der Corona-Krise haben sich die Länder de facto überschuldet, und nur die Zinsmanipulationen von EFSF und ESM (Griechenland) oder EZB (Italien) bewahren sie vor dem Konkurs. Durch die Corona-Hilfen geht es nun in noch höhere Verschuldungsbereiche hinein, und auch da scheint niemand Bedenken zu kriegen.

Heute kommt es anscheinend darauf an, bei den Schulden ganz vorn zu liegen. Unausgesprochenermaßen erwartet man den Crash der "bond bubble" (Schulden-Blase), der alle Schulden tilgt. Wenn das so läuft, sind die seriös Wirtschaftenden die Dummen. Diese Haltung schimmert immer öfter durch, sonst würde sich kein Land bedenkenlos über die 80% BIP hinaus verschulden, die als Grenze der Finanzierbarkeit gelten. Bei mehr als 80% wird der Prozentwert zwangsläufig immer höher. Nur wenn die Zentralbanken den Zins runtermanipulieren, können sie die 80%-Grenze außer Kraft setzen. Das tun sie auch, ungeachtet der Kollateralschäden, zu denen auch das süße Gift des billigen Geldes gehört, das zu immer neuen Kreditaufnahmen verlockt.

Die Erfolgsgeschichte von Japan
Japan hat sich bei der Japankrise bei sich selber verschuldet, derzeit 11,4 Billionen Dollar entsprechend 240% vom BIP oder 90.000 Dollar pro Person. Das ist die höchste Schuldenquote der Welt.

Die Erfolgsgeschichte der USA
Seit Obamas Regierungsantritt haben sie jedes Jahr 1,25 Billionen Dollar Schulden aufgenommen, was in etwa den direkten (0,6...0,8 Billionen) plus indirekten Kosten des US-Militärhaushalts entspricht.

Dafür haben sie den Krieg in Afghanistan vermasselt.
Dafür haben sie den Krieg in Libyen vermasselt.
Dafür haben sie den Krieg in Syrien vermasselt.
usw.

Die USA sind im Gegensatz zu Japan international verschuldet, mit 24 Billionen Dollar Staatsverschuldung (und nochmal 3 Billionen von den Bundesstaaten). Das entspricht 110% vom BIP oder 80.000 Dollar pro Person.

Die Erfolgsgeschichte des Euros

Dem Euro wird gern ein Nutzen unterstellt, weil er einen gemeinsamen Markt schafft. Aber den gab es bei der EWG auch schon, und die einheitliche Währung nutzt nicht allzu viel, wenn sowieso alles über Karte läuft. Ansonsten landet der deutsche Exportüberschuss bei den internationalen Besitzern der deutschen Exportfirmen. Für den Normalverbraucher bedeutet Exportüberschuss nur Konsumverzicht, und beim Staat kommt auch nichts vom Überschuss an, wie die notleidenden Staatsfinanzen zeigen.

Für den Euro haben sie uns die Mark (bzw. den Schilling) weggenommen.
Für den Euro haben sie uns die Zinsen weggenommen.
Für den Euro haben sie uns faule Kredite aufgepackt, die eigentlich den Banken gehören.
Und jetzt packen sie uns die Schulden von anderen Ländern auf, die schlechter gewirtschaftet haben und noch mehr unter dem Euro leiden (weil sie nicht abwerten können).

Als Beispiele für die Wirkung des Euros dienen wieder Griechenland und Italien. Den größten Teil ihrer Schulden haben sie unter dem Euro gemacht:
Griechenland hat 0.341 Billionen Schulden, entsprechend 181% BIP oder 31.000 Euros pro Person.
Italien hat 2.5 Billionen Schulden, entsprechend 131% BIP oder 41.000 Euros pro Person.
Maßnahme: weiter so!

So lautet ein aktueller Spruch von einem Euro-Politiker: "Auch der Letzte (hat) verstanden, dass wir eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik brauchen, um die Gemeinschaftswährung dauerhaft zu stabilisieren."

Aber wer will denn das angesichts der Probleme?

Mit gemeinsamer Wirtschafts- und Finanzpolitik sind die Probleme des ungleichen Wirtschaftserfolgs auch nicht behoben, und es wird immer noch die Abwertung für Griechenland und Italien gebraucht, die unter dem Euro nicht geht. Vielmehr wirkt der Euro wie eine Aufforderung, weiterzuwursteln und sich Reformen zu schenken, weil ja alles gerettet wird, was genug Zerstörungspotential hat.

Als die tech bubble (Dotcom-Blase) platzte, ging es um ca. 15 Billionen Dollars. Bei der housing bubble (Bankencrash) ging es um ca. 30 Billionen. Jetzt, bei der bond bubble spricht man von 250 Billionen. Das muss nicht wahr sein, bei der pervertierten Finanzpolitik gibt es ja keine seriösen Angaben darüber, was alles im prekären Bereich liegt. Doch da alle so fleißig an der neuen bubble mitwirken, dürfte es sehr viel sein.