Kurzanalyse

Eine Analyse über Kanzler Kurz lieferte am 30.8.2020 Prof. Peter Filzmaier in der Kronenzeitung, er fasste so zusammen:

"Alle Wahlerfolge von Sebastian Kurz beruhen darauf, dass ihm Hunderttausende Ex-Wähler der FPÖ in Scharen zugelaufen sind. Die muss er um jeden Preis halten. Dafür nimmt er in Kauf, dass ein Teil der bürgerlich-liberalen Österreicher sich häufiger von der ÖVP abwendet und vermehrt - das beweisen Wählerstromanalysen - zu den NEOS oder Grünen geht."

Heute ist der 1.9., schauen wir uns das einmal praktisch an! 2017 wurde bei der Nationalratswahl Kurz mit der ÖVP erstmals stärkste Partei. Das sah so aus:

2013 hatte auch der österreichisch-kanadischer Industrielle und Milliardär Frank Stronach mit der populistischen Liste "Team Stronach" kandidiert und dabei 5,73 % (268.679 Stimmen) und elf Mandate erreicht, die Neos sind 2013 auch erstmalig angetreten. Verloren hat 2013 die ehemalige Jörg-Haider-Partei BZÖ über sieben Prozent, nicht mehr kandidiert hatten das Liberale Forum und die Liste Fritz, zusammen knapp vier Prozent, es gab also rund elf Prozent neu zu verteilende Stimmen und 390.000 frei gewordene Grünstimmen (8,6 %), die Grünen verloren wegen ihrer Pro-Asylpolitik und den Auseinandersetzungen mit Peter Pilz Zweidrittel der Stimmen von 2013 und flogen aus dem Parlament, somit wurden 2017 insgesamt fast 20 % der Stimmen von 2013 neu verteilt. 6.384.308 Wahlberechtigte gab es 2013, die Wahlbeteiligung lag bei rund 75 %, im Jahre 2017 waren es 6.400.993 Wahlberechtigte und eine Wahlbeteiligung von 80 %, daher stiegen die abgegebenen gültigen Stimmen um 377.000. Hauptgewinner davon waren ÖVP und FPÖ, ein Gewinner war auch die neue von den Grünen abgespaltene Liste Pilz.

Und wie schaute es dann 2019 aus?

Die Wahlberechtigten waren mit 6.396.812 geringfügig weniger, die Wahlbeteiligung sank auf 75,6 %. Es gab zwei große Verlierer, die FPÖ und die SPÖ, der zweite Start der Liste Pilz als "Jetzt" scheiterte an der Vierprozentklausel. Die SPÖ hatte sich schon seit der Vranitzky-Zeit nicht mehr um ihre Stammklientel gekümmert, 2018 zeigte ein Bericht des Rechnungshofes die Lage der arbeitenden Bevölkerung in Österreich auf, seit 20 Jahren gab es praktisch keine Reallohnerhöhungen mehr, hier wieder einmal der Screenshot aus dem Bericht:

Dieser Bericht wurde von den Medien praktisch geheimgehalten, der ORF erwähnte ihn nur ein einziges Mal in einem Mittagsjournal, die Information der arbeitenden Klassen über die ansteigende Ausbeutung ist in der demokratischen Republik Österreich nicht statthaft! Der Arbeitsdruck stieg aber weiter und speziell die Arbeiter hatten vielfach aufgehört, die SPÖ zu wählen und gaben schon längere Zeit lieber der FPÖ Proteststimmen. FPÖ-Häuptling Strache hatte darauf praktisch nicht reagiert und schaffte es durch den im Mai 2019 aufgeflogenen Ibiza-Skandal von 2017 seine Wähler massiv zu vertreiben, zusammen mit den Pilzverlusten standen mehr als eine Million Wähler anderweitig zur Verfügung!
Die Grünen hatten nach der Wahl von 2017 aufgehört, sich für den Asylzustrom zu engagieren, die neue Parteiführung sprach dieses Thema überhaupt nicht mehr an, es gab daher eine massive Wählerrückkehr!
Wahlsieger war auch Sebastian Kurz, er gewann mit seiner ÖVP sechs Prozent dazu! Die ÖVP hatte 37.5 % der Stimmen erhalten!

Und wie schaut es heute aus? Der Herr Filzmaier schreibt, Kurz wäre durch FPÖ-Stimmen groß geworden, 2017 war das nicht der Fall, da hatte ja die FPÖ rund 5,5 % und 354tausend Stimmen dazugewonnen. Dann meint er gar, dem Kurz liefen nun die Wähler davon. Die ÖVP hatte zwar heuer im Frühjahr manchmal um die 45 Umfrage-%, im Winter aber auch oft nur 38 oder 39 %. Schauen wir uns das einmal auf Wikipedia aktuell an, seit Ende Juni 2020 liegt die Partei aber jeweils bei 41 bis 42 % - hier ein Screenshot der dort veröffentlichten Wahlumfragen vom 11.6. bis zum 27.8.:

Ein ÖVP-Wählerstrom zu den Grünen und den Neos ist nicht zu sehen, den sah der Filzmaier vielleicht im Traum. Im ersten Halbjahr 2020 lagen die Parteien bei 30 Umfragen im Schnitt so: ÖVP 41,7 %. SPÖ 17,7 %, FPÖ 12,2 %, Grüne 17,1 % und Neos 8 %. Wieso schaute der Filzmaier die jederzeit greifbaren Daten nicht an? Hat er davon geträumt, dass bei Umfragen ÖVP-Stimmen zu den Grünen und Neos strömen? Und beim Aufwachen gegalubt, das wäre wahr? Auf der Datentabelle strömt das gar nicht!

Die ÖVP liegt also insgesamt fast gleich wie in den ersten fünf Monaten, die SPÖ geringfügig besser, aber immer noch sehr schlecht (Rendi-Wagners Vorgänger Christian Kern verabschiedete sich 2018 mit einem Umfragestand von 28 %), die FPÖ hat sich leicht verbessert, die Grünen liegen um ein bis zwei Prozent niedriger, die Neos sind ziemlich gleichgeblieben.

Kurz hat es verstanden, sich nach den Stimmungen im Land zu richten, er nutzte die Asylkrise durch dagegen gerichtete eindämmende Maßnahmen, gereiht nach den Asylwerbern pro Million Einwohner belegte Österreich von 2015 bis 2019 folgende in den letzten drei Jahren durch Kurz absteigend gewordene Asylhitparadenplatzreihe: 3., 2., 5., 10., 13.! Und Kurz gewann damit die Wahlen 2017 und 2019 und bleibt damit populär! Unabhängig davon was der Filzmaier analysiert...