Von Daniela Wakonigg am 31. 10. 2022 auf https://hpd.de/
Es geht um die Umfrage: USA Religionen Christentum Trennung von Staat und Religion
Immer wieder beherrschen christlicher Nationalismus und der berühmte "Bible
Belt" (Bibel-Gürtel) Berichte über die USA. Doch das Bild des Landes
als "christliche Nation" trifft immer weniger zu. Dies belegt auch
die jüngste Studie des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center.
Bereits eine im September veröffentlichte Studie des Pew Research Center zeigte,
dass der der Anteil der Christinnen und Christen in den USA stark im Sinken
begriffen ist. Waren Anfang der 1990er Jahre noch rund 90 Prozent der US-Amerikanerinnen
und Amerikaner christlich, kam eine Schätzung 2020 auf lediglich 64 Prozent,
während 30 Prozent angaben, keinerlei religiöse Bindung zu haben.
In seiner jüngsten, Ende Oktober veröffentlichten Umfrage wollte das
Pew Research Center nun wissen, wie die Amerikanerinnen und Amerikaner zum Konzept
einer "christlichen Nation" stehen.
Deutlich wurde bei der Umfrage, dass in den USA bis heute der sogenannte "Gründungsmythos"
stark wirkt, der besagt, dass die USA als christliche Nation gegründet worden
seien. Obwohl dieser Mythos längst entzaubert wurde, waren insgesamt sechs
von zehn der 10.588 befragten erwachsenen Amerkanerinnen und Amerikaner der
Meinung, dass die Gründer der USA das Land ursprünglich als eine christliche
Nation betrachtet hätten.
Weniger als die Hälfte der Befragten (45 Prozent) fanden jedoch, dass die USA
heute noch eine "christliche Nation" sein sollten. Darunter etwa sechs
von zehn Christen. Allerdings zeigte die Umfrage auch, dass die Meinungen darüber,
was eine "christliche Nation" überhaupt sei, sehr unterschiedlich
ausfielen. So definieren viele Befürworter einer christlichen Nation das Konzept
als im weitesten Sinne die Vorstellung, dass das Land von christlichen Werten
geleitet wird. Acht von zehn Befragten, die meinen, die USA sollten eine christliche
Nation sein, sind der Meinung, dass die Bibel zumindest einen gewissen Einfluss
auf die US-Gesetze haben sollte. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen findet
sogar, dass die Bibel Vorrang haben sollte, wenn sie dem Willen des Volkes widerspricht.
Das ist wiederum eine durch und durch negative Vorstellung für diejenigen,
die sagen, dass die Vereinigten Staaten keine christliche Nation sein sollten.
Sie definieren eine christliche Nation als ein Land, in dem in Gesetzen ausdrücklich
religiöse Lehren verankert sind, und lehnen dies ab.
Noch deutlicher wird die Ablehnung des Konzepts einer "christlichen Nation"
bei gezielten Fragen hinsichtlich der Vermischung von Staat und Religion, die
eine große Mehrheit der Befragten sehr kritisch sieht. So sind etwa drei Viertel
der Erwachsenen in den USA (77 Prozent) überzeugt, dass Kirchen und andere
religiöse Einrichtungen keine Kandidaten für politische Ämter unterstützen
sollten. Zwei Drittel (67 Prozent) sind der Meinung, dass sich religiöse Einrichtungen
aus politischen Angelegenheiten heraushalten sollten, anstatt sich zu tagespolitischen
oder sozialen Fragen zu äußern. Die Umfrage zeigt also, dass die Idee der
Trennung von Kirche und Staat bei den Amerikanern insgesamt auf sehr hohe Zustimmung
trifft.
Zusätzlich zu den Fragen über eine "christliche Nation" wurden
den Befragten auch Fragen nach ihrer Vertrautheit mit dem Begriff "christlicher
Nationalismus" gestellt. Insgesamt zeigt die Umfrage, dass mehr als die
Hälfte der Erwachsenen in den USA (54 Prozent) überhaupt nichts über christlichen
Nationalismus gehört haben, während 14 Prozent sagen, sie hätten "ein
wenig", 17 Prozent "etwas", 9 Prozent "ziemlich viel"
und 5 Prozent "sehr viel" davon gehört.
Die Befragten, die angaben zumindest ein wenig über christlichen Nationalismus
gehört zu haben, wurden anschließend gefragt, ob sie den christlichen Nationalismus
befürworten oder ablehnen. Weitaus mehr Befragte äußerten dabei eine ablehnende
denn eine befürwortende Ansicht, viele äußerten jedoch überhaupt keine oder
gaben an, nicht genug zu wissen, um sich eine Meinung bilden zu können.
Die Pew-Umfrage enthielt auch mehrere Fragen über Religion und den Obersten
Gerichtshof. Es zeigte sich, dass der Anteil der Amerikaner, die der Überzeugung
sind, dass der Oberste Gerichtshof der Religion gegenüber freundlich gesinnt
ist, stark angestiegen ist. Heute sagt dies etwa ein Drittel der erwachsenen
US-Bürger (35 Prozent). Ein deutlicher Anstieg gegenüber 18 Prozent im Jahr
2019, als das Pew Research Center diese Frage zum letzten Mal stellte.
Etwa vier von zehn Erwachsenen in den USA (42 Prozent) sagen, dass die jüngsten
Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs den Interessen der Christen in den
Vereinigten Staaten geholfen hätten, verglichen mit 15 Prozent, die sagen,
sie hätten den Christen geschadet. Und 44 % der Erwachsenen in den USA sind
der Meinung, dass sich die Richter des Obersten Gerichtshofs bei ihren jüngsten
Entscheidungen zu sehr auf ihre religiösen Überzeugungen verlassen hätten,
während 13 Prozent sagen, dass sie dies zu wenig getan hätten.