Die Relativitätstheorie einfach erklärt...

...an Hand eines Kriminalfalls
Notizen 508 versandt am 22.7.2023
 

Der Prozess
Der Franz/is mir/von ganz allein/ins Messer grennt. Kurt Sowinetz: https://soundcloud.com/kurt-sowinetz/notwehrtango

Hohes Gericht! Meinem Mandanten, Herrn Jospeh K. aus L., wird kaltblütiger Mord an seinem Kompagnon Alfred G. vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft behauptet, mein Mandant hätte Herrn G. ein Messer in die Brust gerammt, woraufhin dieser allzufrüh und unfreiwillig aus dem Leben geschieden wäre. Zur Verteidigung meines Mandanten muss ich feststellen, dass es genau umgekehrt war: Das Opfer rannte von sich aus ins Messer, das mein Mandant zufällig in der Hand hielt.
- Diese Darstellung ist absurd.
Nicht so absurd, hohes Gericht, wie der Staatsanwalt meint. Denn jegliche Bewegung ist relativ, und so könnte es genausogut umgekehrt gewesen sein: Die Geschwindigkeit des Angeklagten war gleich null, die seines Gegenübers dagegen viel zu hoch.
- Völliger Unsinn.
Nicht so. Diese Erkenntnis ist die Grundlage der Relativitätstheorie, die bekanntlich, wie Sie alle wissen, vom größten Genie des 20. Jahrhunderts geschaffen wurde. Sie werden doch nicht an dieser Theorie zweifeln, Herr Staatsanwalt?
- An der Theorie nicht, wohl aber an ihrer Anwendung.
Hohes Gericht! Die Theorie kann in jedem Inertialsystem angewandt werden, das sind Systeme ohne Beschleunigung. Und mein Mandant hat den Tod des Verstorbenen in keiner Weise beschleunigt.
- Das war ja wohl auch nicht nötig. Außerdem hat er sehr wohl seine Hand, die das Messer hielt, zu Beginn enorm beschleunigt, sonst wäre es nicht so tief eingedrungen.
Hohes Gericht, eine eventuelle Anfangsbeschleunigung spielt keine Rolle. Es geht um die Tat an sich, die durch das Postulat der Relativbewegung meinem Mandanten nicht ausreichend zugeordnet werden kann.
- Diesen Unsinn kann ich mir nicht länger anhören. Als nächstes behauptet mein Kollege von der Verteidigung vielleicht auch noch, der Zug verlässt gar nicht den Bahnhof, sondern dieser wird den Passagieren unter den Rädern weggezogen! (unterdrückt ein unpassendes Lachen)
Hohes Gericht, genau das hat unser Herr Dr. Einstein in einer seiner populären Schriften gesagt. Da Sie mir aber nicht glauben, werde ich einen Zeugen vorladen lassen. Da unser allseits verehrter Herr Professor Einstein bedauerlicherweise nicht mehr unter den Lebenden weilt, habe ich ersatzweise seinen eifrigsten Vertreter in Deutschland, Herrn Markus Pössel, als Zeugen der Verteidigung vorgeladen. Herr Pössel -
Um es kurz zu machen: Der Angeklagte wurde trotzdem verurteilt. Das Gericht hatte nämlich von der Verteidigung verlangt, die besagte Relativitätstheorie zu beweisen. Was dieser nicht restlos und für alle überzeugend gelang. Der Fall wird derzeit vom Europäischen Gerichtshof verhandelt.

(Für diejenigen, die es nicht wissen: Einen solchen Fall hat es tatsächlich in ähnlicher Form gegeben. Der britische Holocaustleugner David Irving verklagte im November 1995 vor einem Londoner Gericht die Autorin Deborah Lipstadt wegen Verleumdung. Das Gericht verlangte daraufhin von der Beklagten, die Existenz des Holocaust nachzuweisen!)