Nur noch 48 Prozent der Deutschen waren 2022 Mitglied einer der beiden
christlichen Großkirchen, der Bevölkerungsanteil der Konfessionsfreien ist
dagegen auf 44 Prozent gestiegen. Dies geht aus den Daten der Forschungsgruppe
Weltanschauungen in Deutschland (fowid) hervor, die heute publiziert wurden.
Wie stark der Trend zur Säkularisierung ist, lässt sich auch daran ablesen,
dass nur noch 6 Prozent der Bevölkerung ihren Glauben praktizieren.
Es ist nicht leicht, die genaue Verteilung der Religionen und Weltanschauungen
in Deutschland zu bestimmen. Es handelt sich dabei um "eine Mischung aus
relativ genauen Daten und Schätzungen verschiedenster Qualitäten", erklärt
fowid-Leiter Carsten Frerk zu der neuesten Analyse, die heute auf dem Portal
der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) veröffentlicht
wurde.
Eine besondere Herausforderung war 2022 "die große Zahl der Zuwanderer
aus der Ukraine, deren Religionszugehörigkeiten nur im Rückgriff auf die Verhältnisse
in der Ukraine anzunehmen sind", sagt Frerk. "Hinsichtlich der Anzahl
der Mitglieder der Organisationen innerhalb der orthodoxen 'Glaubensfamilie'
sind die Angaben recht divers, so dass es einen besonderen Aufwand bedeutete,
etwas Klarheit zu gewinnen."
Nach Abgleich verschiedener Studien gelangt fowid zu folgender Übersicht hinsichtlich der religiös-weltanschaulichen Verteilung in Deutschland: Ende 2022 stellten römische Katholiken 24,8 Prozent, EKD-Evangelische 22,6 Prozent, Muslime 3,7 Prozent, weitere Religionsgemeinschaften 5,1 Prozent und die Konfessionsfreien 43,8 Prozent der Bevölkerung.
Demnach haben die beiden christlichen Großkirchen im vergangenen Jahr
1.333.400 Mitglieder verloren – so viel wie nie zuvor. Grund dafür sind
nicht nur die gestiegenen Kirchenaustritte, sondern auch das steigende Übergewicht
der Sterbefälle, wobei ein Drittel der verstorbenen Kirchenmitglieder auf eine
kirchliche Bestattung verzichtete, was Frerk als "stillen Austritt"
bezeichnet.
Immer weniger praktizierende Gläubige
Die Forschungsgruppe hat sich in ihrer Analyse auch mit der Frage beschäftigt,
wie viele der nominellen Religionsmitglieder ihren Glauben tatsächlich öffentlich
leben. Ein Indikator dafür sei, "dass man 'regelmäßig', zumindest einmal
im Monat, an einem Gottesdienst teilnimmt." Für 2019 hatte sich hierfür
ein Anteil von 7,9 Prozent ergeben. Dieser schon sehr geringe Anteil der "praktizierenden
Gläubigen" sei 2022 noch einmal gefallen.
Laut fowid sind nur noch 6,2 Prozent der Bevölkerung (und aller Religionen)
als "praktizierende Gläubige" zu betrachten. Damit setzt sich
ein langfristiger Trend fort: 2016 nannte eine Studie der ALLBUS-Auswertungen
zur "Kirchganghäufigkeit in Deutschland 1980-2016" einen Anteil der
Gläubigen mit "regelmäßigen Gottesdienstbesuch" von 12 Prozent,
2019 war es nur noch ein Anteil von 7,9 Prozent, der sich nun abermals um weitere
1,6 Prozentpunkte verringert hat.
Die Forschungsgruppe bringt dieses Ergebnis folgendermaßen auf den Punkt: "Von 100 Bundesbürgern nehmen inzwischen 94 nicht mehr an Gottesdiensten teil, nur 6 von ihnen besuchen regelmäßig eine Kirche, Synagoge oder Moschee. Kaum eine andere statistischen Kennzahl zeigt so deutlich, wie weit die Erosion des Glaubens bereits vorangeschritten ist."