Die katholische Kirche muss sich radikal reformieren

Vom Schweizer Hugo Stamm am 28. September 2023

Schlagworte: Schweiz Missbrauch Katholische Kirche Aufarbeitung
Für einen wirklichen Wandel müsste die katholische Kirche grundsätzliche Reformen umsetzen. Dazu gehören die Aufhebung des Zölibats, das Priesteramt für Frauen und demokratische Strukturen.

Die Eiterbeule der katholischen Kirche in der Schweiz ist endlich geplatzt. Was man schon lange ahnte und ansatzweise wusste, hat sich nun bewahrheitet. Trotzdem gibt es eine Überraschung: Das Ausmaß der sexuellen Übergriffe der Geistlichen übersteigt die Befürchtungen. Mehr noch: Die Würdenträger betrieben eine systematische Vertuschung bis hinauf zu den Bischöfen.
Fazit: Die Missbräuche hatten System und wurden unter den Teppich gekehrt. Dazu passt auch, dass die Verantwortlichen viele Dokumente dem Schredder übergaben.

Bischöfe hatten Kenntnis von den Missbräuchen!
Beschämend ist vor allem, dass alle Bischöfe seit Jahren Kenntnisse von den Übergriffen und Vertuschungen hatten. Oder selber daran beteiligt waren. Sie missachteten auch die Selbsthilfegruppen, die schon lang auf die Verbrechen aufmerksam gemacht hatten.
Die "Würdenträger" konnten sich erst zu einem Geständnis durchringen, als der Druck der Öffentlichkeit und der Medien zu groß geworden war. Die Bischöfe versprechen nun mantramäßig, dass sie einen Kulturwandel vorantreiben werden.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bisher in der katholischen Kirche die Kultur darin bestand, die reine Lehre und ihre fragwürdigen Ideale hochzuhalten und zu schützen. Den Ruf zu wahren war ihnen wichtiger als das Schicksal der Opfer. Sie zahlten den Preis für die Verbrechen. Das ist ähnlich verwerflich wie die Übergriffe selbst.
Stefan Loppacher, der seit mehreren Jahren in der katholischen Kirche Präventionsarbeit leistet, erklärte in einem Interview mit dem Tages-Aneiger die Missbrauchskultur so: "In einer Institution, die sich als heilig, gottgewollt und unfehlbar versteht, hat sich eine völlig menschenverachtende Kultur etabliert. Die Kirchenverantwortlichen waren sich gewohnt, sich über die Menschen und auch über den Staat zu stellen."
Fatal wirkt sich auch der Glaube vieler hoher Würdenträger an die angeblich besondere und herausragende Stellung der Kirche in der Welt aus. Dieser Anspruch ist tief in der geistigen und religiösen DNA der katholischen Nomenklatura verankert. Solange die Verantwortlichen nicht die Demut haben, vom hohen Pferd zu steigen und zu ihrer Menschlichkeit zu stehen, bleiben grundsätzliche Reformen Wunschdenken.
Zum Kulturwandel gehörte auch, den Zölibat aufzuheben. Heute ist die katholische Kirche eine Art exklusiver Männerbund mit autoritären Strukturen. Sie zieht damit Homosexuelle und Pädophile an, die in diesem Biotop aufblühen.
Die katholische Kirche erklärt zwar regelmäßig, der Zölibat sei nur zu einem kleinen Teil für die Übergriffe verantwortlich, doch das Argument ist weder stichhaltig noch glaubwürdig. Denn 70 bis 80 Prozent der Hunderte von Opfern sind männlich. In der säkularen Welt ist es genau umgekehrt. Dort sind mehrheitlich Mädchen und Frauen die Opfer.
Ein weiteres Indiz liefert die reformierte Kirche, die keine Probleme mit sexuellen Übergriffen in ihrem Umfeld hat.
Die Strukturen der katholischen Kirche müssten aufgebrochen werden
Um einen Kulturwandel vollziehen zu können, müssten außerdem die Strukturen der katholischen Kirche aufgebrochen und das Kirchenrecht reformiert oder abgeschafft werden. Heute herrscht eine Art monarchisches oder zumindest autoritäres und antidemokratisches System.

Was dies bedeutet, zeigt der Missbrauchsskandal exemplarisch. So beauftragte der Vatikan den Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain mit der Untersuchung der Fälle. Keine Spur von Gewaltentrennung. Deshalb ist die Gefahr der weiteren Klüngelei (=Vetternwirtschaft) groß.
Zwar kann man vermuten, dass Bonnemain tatsächlich gewillt ist, die Missbräuche zu dokumentieren, doch das Setting an sich ist ein Unding: Wer kann schon mit aller Härte gegen "Freunde" ermitteln, mit denen man schon seit Jahrzehnten zusammenarbeitet und manches Fest gefeiert hat? Das ist, als würde eine Bundesrätin oder ein Bundesrat gegen das restliche bundesrätliche Gremium ermitteln.

Fragwürdige Untersuchung durch Bischof Bonnemain
Eine hypothetische Frage macht die Krux deutlich: Was wäre, wenn sich Bonnemain ebenfalls etwas zu Schulden hätte kommen lassen? Müsste er dann gegen sich selbst eine Untersuchung führen?
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Gleichstellung der Frauen. Viele konservative Geistliche betrachten sie immer noch als Menschen zweiter Klasse. Deshalb gehört zu einem Kulturwandel zwingend, dass Frauen gleichwertige Priesterinnen werden dürfen.
Weiter muss das Zölibat aufgehoben werden. Dann ändert sich vielleicht auch das Frauenbild. Und die Priester würden erfahren, wie Zärtlichkeit und Sexualität mit einer Frau Lebensgefühl und Bewusstsein bereichern.

Ohne Reformen kein Kulturwandel
Loppacher belegt dies mit folgendem Zitat:
"Ich habe Akten gesehen, in denen Bischöfe und Täter sagen, als Priester mit einem 12-Jährigen zu masturbieren, sei halt ein Spiel zwischen Jungen. Mit einer Frau zu schlafen sei viel schlimmer und ein richtiger Zölibatsbruch."
Einen Kulturwandel kann es nur geben, wenn der Vatikan all diese Reformen rasch umsetzen würde. Dass dies nicht geschehen wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Sicher ist deshalb auch, dass die Austrittswelle so schnell nicht verebbt.

Soweit die Aussendung, dazu wieder die üblichen atheistischen Anmerkungen:

Wie ja von der katholischen Kirche gewohnt, ist man dort nicht in der Lage, offen über den zölibatären Unsinn zu diskutieren! Für Atheisten ist der Zölibat die klare Ursache der priesterlichen Missbräuche.
Hier die ewige Wiederholung der Missbrauch-Ursache: Unter den Priestern ist wegen des Zölibats eine hohe Zahl von Homos und Päderasten (=Knabenliebhabern), weil Homos & Päderasten sich nicht zu Frauen hingezogen empfinden und den Zölibat darum nicht als Lebensproblem sehen! In früheren Zeiten hatten Mütter oder Großmütter gerne ihren männlichen Nachwuchs angefleht, Priester zu werden, weil dann die dazu motivierenden Mütter oder Großmütter von Gott mit dem ewigen Leben im Himmel belohnt würden.
Meine Eltern haben mir seinerzeit erzählt, in dem Dorf im Mühlviertel von dem sie abstammten, hätte der Pfarrer sexuell reife Schülerinnen gevögelt, das sei in der ganzen Pfarre bekannt gewesen, ohne dass dagegen etwas geschehen wäre. Dann wandte sich aber doch eines Tages der Vater einer Tochter an den Diözesanbischof und verlangte, dass dieser dagegen etwas unternehme. Der Bischof versetzte den Pfarrer sogleich in eine andere, weit abgelegene, Pfarre und die Eltern in der bisherigen Pfarre waren erleichtert!
Der Zölibat war seinerzeit im Zeitalter des aufsteigenden Feudalismus von der katholischen Kirche eingeführt worden, um zu verhindern, dass sich auch in der Kirche feudale Strukturen bildeten, also die Söhne von Priestern und Bischöfen die Pfarrer- und Bischofsämter ihrer Väter erbten - samt deren materiellen Zubehöre!

Da wir jedoch heute keine feudalen Gesellschaftsstrukturen mehr haben, ist der Zölibat längst überflüssig und von heute auf morgen abschaffbar! Radikal wäre das überhaupt nicht, sondern bloß vernünftig…