Weihnachten, wie immer

Peter Ripota Notizen 529 (16.12.2023)

Das Jesuskind wurde am 25. Dezember in einer Krippe geboren. Im Stall anwesend: Ochs, Esel, Lamm, ein paar Engel (in der Luft schwebend), ein Komet (am Himmel), sowie die Heiligen drei Könige, die ihm Geschenke überbrachten.

Stimmt's? Nicht ganz.

Natürlich ist die Weihnachtsgeschichte eine fromme Legende, nach deren historischen Wahrheitsgehalt wir nicht zu suchen brauchen. Aber auf die Erzählungen des Neuen Testaments können wir sehr wohl vertrauen, wenn wir religiös sind. Und die erzählen nicht ganz das Gleiche.
Als erstes finden wir nur in zwei der vier kanonischen Evangelien Andeutungen über Jesu Geburt bzw. Kindheit, und auch das zu ganz unterschiedlichen Themen. Lukas beschreibt die Geburt, Matthäus die Ankunft der Weisen aus dem Morgenland. Fangen wir mit Lukas an.
Dort heißt es: Maria und Josef zogen zu Josephs Geburtsort, wegen der Steuerschätzung (nicht: Volkszählung), die Kaiser Augustus angeordnet hatte. In der Herberge fanden sie keinen Platz mehr, und deshalb hat Maria ihr Baby in eine Futterkrippe gelegt. Dass dieses in einem Stall zur Welt kam, steht dort nicht, aber es ist anzunehmen. In der Nacht im Freien zu bleiben, wäre recht gefährlich gewesen, wegen der wilden Tiere (und Menschen vermutlich auch). Ochs und Esel kommen nirgends vor, sind aber in einem Stall durchaus wahrscheinlich.
Matthäus beschreibt die Ankunft der Gelehrten aus dem Morgenland, vermutlich aus Babylonien - mindestens ein Jahr nach der Geburt des Erlösers. Unserer Katalogisierung nach waren sie Astronomen-Astrologen. Jedenfalls konnten sie lesen, schreiben und rechnen. Könige waren sie nicht, wieviele da kamen, schreibt Matthäus auch nicht. Die Gelehrten sahen Jesus auch nicht in der Krippe, sondern da wird ausdrücklich ein Haus erwähnt.
Aber sie brachten drei Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Warum gerade die? Gold war ein Geschenk für Könige, in diesem Fall für den zukünftigen König der Juden und den "König aller Könige und Herr aller Herren", der über die ganze Erde regieren wird. Weihrauch brauchen die Priester (auch heute noch). Was bedeutet: Jesus wird später Hohepriester. Myrrhe, duftende Harz, wurde zur Einbalsamierung benutzt. Jesu Körper sollte nach seinem Tod in Leinen mit Myrrhe und Aloe eingewickelt werden.
Ob die babylonischen Gelehrten einem Stern folgten oder zu ihm hinzogen, ist nicht ganz klar. Der "Stern" wurde früher als Komet gedeutet, aber unsere jetzigen Astronomen stellten fest: Damals gab es keinen Kometen, und außerdem wäre er dann auch woanders erwähnt worden. Johannes Kepler deutete den Stern als Jupiter-Saturn-Konstellation, ein für Astrologen bedeutsames Zusammentreffen zweier Planeten, die zwei Völker repräsentierten: Babylonier (Jupiter) und Juden (Saturn). Diese Bedeutung war für die anderen Beobachter uninteressant. Es könnte aber auch sein, dass die Gelehrten zu einem Stern hinzogen, dem Stern, der über der Welt aufgehen und ihr den ewigen Frieden bringen sollte, also zu Jesus.
Und das Geburtsdatum? Da hat sich inzwischen wohl herumgesprochen: Das kann nicht sein. Erstens hüteten die Hirten ihre Schafe, und das tun sie nicht im Winter. Zweitens hätten die Römer eine kleine Völkerwanderung, wie sie die Registrierung der Steuerzahler damals mit sich zog, nicht im Winter veranstaltet. Weitere Zeitangaben (Besuch bei Elisabeth) deuten auf März oder September hin.
Warum dann der 25.12.? Weil an diesem Tag der unbesiegte Sonnengott Mithras gefeiert wurde, und der Mithraskult im römischen Reich eine arge Konkurrenz zum Christentum darstellte. So hat man einfach den römischen Gott verdrängt und seinen Geburtstag mit dem christlichen Erlöser besetzt.
Dass man zwei Berichte zu einem zusammenfasste und später noch einen Heiligen namens Klaus einführte, ist für den gläubigen Christen und für den praktizierenden Weihnachtsfeierer relativ uninteressant. Das festgelegte Geburtsdatum hat dennoch seine Tücken. Denn fast zur gleichen Zeit feiern wir etwas völlig anderes: Silvester, das Ende des Jahres, von den Römern übernommen, benannt nach Papst Sylvester dem Ersten, der am 31.12.335 starb. Und jetzt überlagern sich zwei Festivitäten, die nichts miteinander zu tun haben und einander ziemlich stören, was etwa so aussieht:
Vorweihnachtszeit: Hektik. Die Menschen suchen, zum Teil in allerletzter Minute, verzweifelt nach Geschenken, organisieren den Weihnachtsbraten, laden die Oma ein, beruhigen die Kinder, schmücken den Weihnachtsbaum - und das alles oft neben der regulären Arbeit, die frühestens am 23. endet.
Weihnachtsabend (24.12.): Zeit der Ruhe und Besinnung.
Nach-Weihnachtszeit (25., 26.12.): möglicherweise wieder Hektik. Besuch bei Eltern/Großeltern. Die wohnen in Flensburg, man selbst in Berchtesgaden. Zehn Stunden Fahrt in eisiger Witterung, auf unfallträchtigen Straßen, im Stau.
Zwischenzeit (26.-30.12.): Besinnlichkeit ist angesagt.
Silvester (31.12.): Hektik, Unruhe, Lärm, wüste Feiern. Gnade dem, der allein bleiben muss. Alle Welt lädt ein oder geht raus, tanzt, grölt, schickt Böller in die Luft und Neujahrsgrüße in den Äther. Besinnlichkeit ade.
Neujahr (1.1.bis 6.1.): Besinnlichkeit ist angesagt, denn das Weihnachtsfest ist noch nicht zu Ende. Am 6. kommen schließlich die heiligen drei Könige und segnen das Haus.
Tatsächlich gibt es das Silvesterdatum aber erst seit dem Jahr 1582, dem Jahr der gregorianischen Kalenderreform. Denn vorher wurde das Ende des Jahres am 24.12. gefeiert. Wie passt denn das zusammen ???

Geruhsame Weihnachten und einen guten Rutsch!