Wen die Götter lieben ...

... dem erfüllen sie seine Wünsche. Und das kann tödlich enden!


Peter Ripotas Notizen Nr. 537 vom 25.2.2024

Das war harmlos: Nach dem Mittagessen gönnte ich mir im Büro (ich hielt immer Mittagsschlaf!) ein Stück Schokolade. Die Gewohnheit wurde zur Sucht und eines Tages geschah das Furchtbare: In der Schublade lag nichts Süßes. Alles aufgebraucht. Mein Verlangen nach dem Suchtmittel steigerte sich zum Gebet - und prompt kam die Sekretärin herein und brachte mir ein paar Kekse. War sie hellsichtig?
Wünsche können auch ganz spontan geäußert werden. Als ich arbeitslos war und mich bei einem Verlag bewarb, erkannten beide Gesprächspartner, also mein Interviewer und ich, dass ich für die ausgeschriebene Arbeit nicht geeignet war. Da wir aber beide Zeit hatten, plauderten wir so vor uns hin, und irgendwann fragte mich mein Gegenüber: Was wäre denn Ihr Traumberuf? Ich antworte ohne zu denken (und war selbst überrascht):
Redakteur beim P.M.-Magazin (= P.M. – Peter Moosleitners interessantes Magazin). Warum eigentlich? Egal, sechs Monate später ging mein Wunsch in Erfüllung, und ich blieb dort fast ein Vierteljahrhundert bis zu meiner Pensionierung.
Manchmal habe ich das Gefühl, die Götter helfen einem. Auf der Fahrt durch die Berge des Monte Argentario in der Toskana zeigte die Treibstoffuhr Leere an. Nun gut, nicht weiter tragisch, bis zum Gipfel des Hügels war es nicht mehr weit, und auf der Fahrt nach unten konnten wir notfalls im Leerlauf fahren (dachte ich). Als wir dann oben ankamen, in der Erwartung, bald auf der anderen Seite unten zu sein, war die Straße gesperrt. Wir mussten wieder umkehren und den ganzen langen Weg zurückfahren. Ein Gebet half uns: Erstaunlicherweise schafften wir die Tour zurück. Nicht abzusehen, was geschehen wäre, wenn wir mitten in den Bergen stecken geblieben wären, ohne Handy (gab's damals noch nicht), ohne Sprachkenntnisse, ohne Reservekanister oder Leuchtpistole.
Aber Vorsicht: Das Warnschild sollte lauten "Sich etwas zu wünschen kann tödlich sein". So ist es mir beinahe ergangen, als ich mir mehr Zeit für meine Bücher und meine Familie wünschte. Der Wunsch wurde mir prompt erfüllt: Beim Überqueren einer Kreuzung mit dem Fahrrad (bei Grün!) fuhr mich ein abbiegendes Auto an. Ich erlitt Prellungen, der fünfte Lendenwirbel verlor seinen Dorn, ich war für fünf Wochen krankgeschrieben. So hatte ich genügend Zeit ...
Doch selbst bei einer so harmlosen Tätigkeit wie beim Tangotanzen kann Wünschen zu unerwarteten Nebenwirkungen führen. Wie an dem einen Abend, wo nichts klappte. Die Damen bevorzugten andere Männer, ich saß schließlich in einem roten Plüsch-Sessel, einsam und abweisend. Die anderen Männer werden von den Damen geholt, sie zieren sich, was die Damen in ihrem Bemühen noch mehr anstachelt, bis sie ihren Traumpartner endlich haben. Wieso geschieht das mir nie? Warum holt mich nie eine Frau? Ach wäre doch da jemand ...
Da war jemand. Die Götter erfüllten, boshaft lachend, meinen Wunsch. Eine alte Bekannte tauchte auf. Erika stolperte, nicht mehr ganz nüchtern, in meine Arme und sagte, jetzt möchte sie mit mir tanzen. Erika ist unter nüchternen Bedingungen fast nicht zu führen, aber in diesem Zustand war auch meine geballte Kraft hoffnungslos verloren. Irgendwann gab ich's auf, und so stolperten wir ohne Rhythmus, ohne Eleganz oder auch nur einen Funken Gemeinsamkeit durch den Saal. Zufällig waren gerade sehr wenige Tanzpaare auf dem Parkett, und so hatte ich das Gefühl, alle, die nicht tanzen, sehen uns zu und grinsen hämisch ...
Seitdem wünsche ich mir nichts mehr und lebe ganz gut damit.

Meinereiner hat sich als materialistisch denkender Mensch logischeweise nie wünschend an Götter gewandt, die Götter haben mich deswegen nie verfolgt, weil es gibt sie ja nicht, die Götter haben nicht die Menschen erschaffen, sondern die Menschen die Götter! Meinereiner hat keine Götter erschaffen, weil die Götterei war mir immer zu blöd! Amen, so ist es!