Gesetze gegen "Blasphemie" sind schädlich für den gesellschaftlichen
Frieden und benachteiligen vor allem religiöse Minderheiten. Das hat Heiner
Bielefeldt, Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit,
in seinem letzten Bericht an die Vereinten Nationen erklärt. Humanisten begrüßten
den Bericht.
Es klingt wie eine Utopie und ist doch mittlerweile Bestandteil
der öffentlichen Diskussion über Wege zur Verwirklichung der Menschenrechte:
eine weltweite Ächtung aller Gesetze, die kritische Äußerungen über religiöse
Ideen und Vorstellungen strafrechtlich sanktionieren. Für ihre Abschaffung hat
sich nun auch der UN-Sonderberichterstatter Heiner Bielefeldt ausgesprochen.
Bielefeldt
unterstreicht in seinem Bericht
die Notwendigkeit, sich mit den Wurzeln der in den vergangenen Jahren in vielen
Ländern beinahe zur Alltäglichkeit gewordenen Ausbrüche von kollektivem religiösem
Hass zu widmen. Es sei erforderlich, die zugrundeliegenden Ursachen zu verstehen
und effektive Strategien für die Prävention und den Umgang mit solchen Entladungen
von "heiligem Zorn" zu entwickeln.
Eine Maßnahme auf dem
Weg, um die oft mit Gewalt verbundenen Explosionen von Emotionen religiöser
Gruppen zu verhindern und Frieden zu sichern, sollte die Aufhebung aller Gesetze
gegen "Blasphemie" sein, wie vom vor einem Jahr vorgestellten
Rabat-Aktionsplan
des UN-Menschenrechtsrates vorgeschlagen.
In dem Aktionsplan "für
das Verbot der Fürsprache für nationalen, rassistischen oder religiösen Hass"
heißt es, dass solche Gesetze kontraproduktiv für den Erhalt von gesellschaftlichem
Frieden sind, da sie im Ergebnis zu einer Zensur des interreligiösen Dialoges,
des Austauschs über Glaubensvorstellungen und von Kritik führen, die in der
Regel konstruktiv, gesund und notwendig ist. Im Aktionsplan heißt es auch: "Zusätzlich
gewähren viele Blasphemie-Gesetze verschiedene Stufen des Schutzes für unterschiedliche
Religionen und werden, wie sich gezeigt hat, oft in einer diskriminierenden
Weise angewendet".
Heiner Bielefeldt schreibt im Bericht, dass
nach seiner Erfahrung "Blasphemie-Gesetze üblicherweise einschüchternde
Effekte ebenso auf die Angehörigen religiöser Minderheiten wie auf Kritiker
und Andersdenkende haben."
Der Bericht des UN-Sonderberichterstatters
beurteilt kollektiven religiösen Hass im Ergebnis als ein nicht-natürliches
Phänomen, dem durch eine Erweiterung des öffentlichen Raumes und die Sicherung
des gleichen Zugangs für alle Gruppen sowie die Entwicklung von Beziehungen
zwischen den verschiedenen Gemeinschaften entgegengetreten werden kann. Staaten
und anderen Interessensgruppen stünden dabei in einer besonderen Verantwortung,
um eine durch einzelne Personen oder kleine Gruppen hervorgerufene Verselbständigung
von Ausbrüchen religiösen Hasses zu verhindern oder zu begrenzen. Auch Medien
und andere gesellschaftliche Akteure sollten sich laut UN-Sonderberichterstatter
nach ihren Möglichkeiten daran beteiligen.
In Deutschland wird die "Beschimpfung
von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen"
vom Strafgesetzbuchparagraphen 166 sanktioniert, wenn sie geeignet ist, "den
öffentlichen Frieden zu stören."
(Anm. atheisten-info:) In Österreich
gibt es im Strafgesetzbuch den berüchtigten § 188, "Herabwürdigung religiöser
Lehren", der in letzter Zeit selten und dann allerdings nur noch zur Bestrafung
islamkritischer oder buddhismuskritischer Äußerungen angewandt wurde (siehe
z.B. Info Nr. 1726 und Info Nr.
1679).
Organisationen nichtreligiöser Menschen, Politiker und
auch einzelne Künstler fordern seit Jahren die Abschaffung. Nicht nur um
die Meinungs- und Kunstfreiheit zu gewährleisten, sondern auch um die Position
der Bundesrepublik Deutschland gegenüber entsprechenden Menschenrechtsverletzungen
in anderen Ländern zu stärken. So erklärte
der Humanistische Verband Deutschlands im letzten Jahr, die Aufhebung des Gesetzes
"würde dazu beitragen, Forderungen des deutschen Staates gegenüber anderen
Staaten in Fragen der Religions-, Rede- und Gewissensfreiheit glaubwürdig zu
machen." Vertreter der katholischen Kirche forderten dagegen auch in den
letzten Jahren immer wieder eine Verschärfung
der geltenden Regelung.
Andrew Copson, Vizepräsident der Internationalen
Humanistischen und Ethischen Union (IHEU), begrüßte den Bericht in einer Stellungnahme.
Er betonte, dass Menschen täglich zu Opfern von religiös begründetem Hass werden.
"Während der Bericht seinen Fokus auf die Entwicklung von Vertrauen zwischen
den Institutionen legt, müssen wir uns daran erinnern, dass Gesetzgebung kurzfristig
Menschen helfen kann und die Umsetzung effektiver Regelungen daher gleiche Priorität
haben sollte wie der vom Bericht empfohlene Aufbau von Vertrauen."
IHEU-Vize
Copson bekräftigte deshalb die Empfehlung des UN-Sonderberichterstatters, alle
Gesetze zum Verbot von "Blasphemie" abzuschaffen und verwies auf die
Daten des jährlichen Berichts der IHEU, der seit 2012 die globale Diskriminierung
und Verfolgung von nichtreligiösen und andersgläubigen Menschen dokumentiert.
Blasphemie-Gesetze, so Copson, "haben keinen Platz in einer freien und
demokratischen Gesellschaft und ihre Abschaffung muss Teil der Bemühungen sein,
die Menschenrechte auf der Welt zu stärken."