Für viele Dänen dürfte
etwas faul sein in ihrem Staat. Eines zumindest ist sicher: Es gärt im
Land. Doch die EU-Granden samt angeschlossener Medienlandschaft scheinen
kaum Notiz von den sozialen Spannungen und Entwicklungen zu nehmen.
Wollen sie nicht wahrhaben, was sich im vermeintlichen Musterstaat
Dänemark seit Jahren abspielt? Sicherlich haben sie bereits alle Hände
voll zu tun, um die EU zusammenzuhalten, aber trotzdem wäre das
fahrlässig, denn auch von Norden droht Ungemach.
Im
Jahre 2015 fuhren die dänischen Sozialdemokraten ihre größte
Wahlschlappe seit 100 Jahren ein. Mit einem Rückgang um satte 30
Prozentpunkte erhielten sie nur noch 26 Prozent der Stimmen. Beobachter
führen dies vor allem auf die neoliberale Politik der damaligen
Regierung von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt zurück –
ähnlich wie in Deutschland unter Gerhard Schröder. Diese Politik wurde
von den enttäuschten Wählern abgestraft, bis zu denen der schleichende
Abbau des dänischen Wohlfahrtsstaates zunehmend durschlägt.
Seit
den Wahlen im Jahre 2015 stellt nun eine sogenannte
"Mitte-Rechts-Koalition" unter Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen
die Regierung. Sie leitete eine Zusammenarbeit mit der "Dansk
Folkeparti" (DF) ein, die von der wachsenden Verunsicherung der
Bevölkerung profitierte. Spätstens seit diesem Zeitpunkt hat die
Realität nicht mehr viel mit dem einstigen Image Dänemarks als Bollwerk
des sozialen Friedens zu tun. Die jüngsten Aussagen von Regierungschef
Rasmussen sind da nur die Spitze des Eisbergs.
Im dänischen Kruså
bei Flensburg sorgte er am Montag – vor allem innerhalb Dänemarks – mit
Äußerungen über dauerhafte Grenzkontrollen zu Deutschland für Aufsehen.
Vor allem die von seiner Partei Venstre wahrgenommene "Terrorgefahr",
aber auch das Problem der "grenzüberschreitenden organisierten
Kriminalität" würden für eine solche Lösung sprechen, selbst bei
sinkenden dänischen Asylbewerberzahlen. Laut Rasmussen müsse daher die
Zusammenarbeit im Schengenraum reformiert werden.
Bereits seit
Januar 2016 kontrollieren die dänischen Behörden an der Grenze aus
Deutschland kommende Fahrzeuge und Insassen. An drei Grenzposten
geschieht das lückenlos, an den meisten anderen Grenzübergängen bisher
nur stichprobenartig. Auch wenn sie offiziell vorläufigen Charakters
sind, wurden die Maßnahmen regelmäßig verlängert. Und wenn es nach
Rasmussen ginge, würden bald auch Ausreisende solchen Kontrollen
unterworfen.
Vor den EU-Parlamentswahlen sind das sicherlich keine erfreulichen
Nachrichten für die EU-Strategen. Doch nur rund zwei Wochen nach der
EU-Wahl am 26. Mai wird in Dänemark auch noch einmal gewählt: Die Wahl
zum nächsten Folketing – dem dänischen Parlament – wird am 5. Juni
stattfinden. Dieser Tag dürfte sich für Brüssel ebenfalls als
Herausforderung erweisen, die EU-Granden neuerlich daran
erinnert, die Probleme im Land ernst zu nehmen und nicht zu
marginalisieren.
Hierzulande kaum bekannt dürfte der Name Rasmus
Paludan sein. Dessen ultra-konservative neue Partei "Stram Kurs"
("Strammer Kurs") wird im Juni erstmals bei der dänischen
Parlamentswahl antreten. Gerne verbrennt Paludan bei Veranstaltungen
öffentlichkeitswirksam auch mal einen Koran und schürt damit auch das
Feuer der wachsenden sozialen Spannungen. Im vergangenen Jahr löste
Paludan mit seinen Provokationen in der Hauptstadt Kopenhagen
Ausschreitungen aus. Wegen Rassismus wurde er bereits verurteilt. Nach
aktuellen Umfragen befürworten 2,4 Prozent der wahlberechtigten Dänen
den "strammen Kurs". Da in Dänemark eine 2-Prozent-Hürde gilt, würde
Paludans Partei damit also bei den Wahlen ins Parlament einziehen.
Ein
weiteres Symptom dafür, dass beim nördlichen deutschen Nachbarn Einiges
im Argen liegt, dürfte die Insel Lindholm sein – auch das Alcatraz
Dänemarks genannt. Ab kommendem Jahr soll das winzige Eiland die "im
Land unwillkommensten Menschen" aufnehmen. Damit sind abgelehnte
Asylbewerber, die nicht abgeschoben wurden, sowie straffällige Ausländer
gemeint. Demnach sollen etwa 100 Menschen dieser Zielgruppe auf die
Insel gebracht werden. Einmal vor Ort, müssen die neuen Inselbewohner
dort vor allem übernachten und sich auch regelmäßig bei den dortigen
Behörden einfinden.
"Dadurch haben wir Kontrolle über
ihren Aufenthaltsort. Es ist nämlich ein Problem für uns, dass manche
Ausländer, die eigentlich ausgewiesen wurden, immer noch Straftaten
begehen, ohne dass wir die Möglichkeit haben, sie zu kontrollieren."
Wie
der dänische Finanzminister Kristian Jensen weiter ausführt, handele es
sich aber keinesfalls um ein Gefängnis, denn das sei schließlich auch
nicht vereinbar mit dem Völkerrecht. Jensen weiß wovon er spricht, denn
es ist noch gar nicht abschließend geklärt, ob sich dieses Konzept einer
Strafinsel mit europäischem Recht vereinbaren lässt. Ein ähnliches
Vorhaben Italiens scheiterte bereits 1980 vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte.
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Es
ist ungewiss, ob die ausgewählten Menschen mit der "Virus" auf jenes
Eiland übersetzen werden, also mit der Fähre, die das Eiland mit dem
Festland verbindet. Um zu verhindern, dass die neuen Bewohner im Land
sesshaft werden, sollen die Ticketpreise steigen und die Fähre in
Zukunft nur noch selten fahren.
"Sie sind nicht willkommen in Dänemark, und das werden sie spüren," erklärte die dänische Immigrationsministerin Inger Strojberg.
Besonders
lebenswert dürfte die kleine Insel tatsächlich nicht sein. Auch der
Name des Fährschiffes geht darauf zurück, dass die Insel Lindholm zuerst
und auch derzeit noch "eine Forschungsstelle für Tierseuchen samt Labor
und Krematorium" beherbergt.
Die jüngsten Entwicklungen im
deutschen Nachbarland dürften nicht ins Kalkül des
Friedensnobelpreisträgers "Europäische Union" passen. Letztendlich sind
auch sie nur ein Symptom für gesellschaftspolitische Fehlentwicklungen
deren politische Metastasen bislang vor allem mit dem populistischen
Kampf gegen den "rechten Populismus" behandelt werden, ohne auf das
eigentliche Leiden des "Patienten" einzugehen.
In aktuellen
Umfragen steht Løkke nicht allzu gut da. Für seine sozialdemokratische
Kontrahentin Mette Frederiksen stehen die Chancen gut, ihn an der
Regierungsspitze abzulösen. Ob die dänische Bevölkerung gesellschaftlich
von einem Machtwechsel profitieren würde, steht auf einem ganz anderen
Blatt geschrieben.
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