Sky Shield: Militärblöcke bedrohen, Neutralität schützt!

Aussendung der Solidarwerkstatt  - Werkstatt Frieden & Solidarität (solidarwerkstatt.at) - vom 6.7.2023

Der Vorstoß der Regierung, Österreich an „Sky Shield“ zu beteiligen, ist ein weiterer Puzzlestein zur Demontage der Neutralität. Der Regierung geht es nicht um Schutz der Bevölkerung, sondern um das bedingungslose Mitmarschieren bei der EU-Militarisierung.

Bundeskanzleramt und Verteidigungsministerium haben angekündigt, dass sich Österreich an „Sky Shield“, der sog. Europäischen Luftverteidigungsinitiative, beteiligen werde, die von Deutschland initiiert wurde. Unter dem Strich hieße das, gemeinsam mit einer Reihe von EU- und NATO-Staaten eine Plattform für den Ankauf von Raketensystemen zu schaffen und sich in Folge über deren möglichen Einsatz sicherheitspolitisch zu koordinieren, was wohl auf Perspektive auf ein gemeinsames Oberkommando hinausläuft. Natürlich betonen Kanzler und Verteidigungsministerin unisono, dass das mit der Neutralität vereinbar sei. Nichts anderes war zu erwarten. Die Lügengeschichten aller Regierungen zur Neutralität sind schon lange und ausführlich von uns aufgearbeitet, dass wir es hier bei zwei Verweisen belassen.

Natürlich ist ein Beitritt zu Sky Shield nicht DER Angriff auf die Neutralität Österreichs, sondern eben ein weiteres Puzzleteil der Demontage der österreichischen Neutralität und zum Mitmarschieren bei der EU-Militarisierung. Diese Demontage wird von allen Regierungen unabhängig von ihrer Parteizusammensetzung seit dem EU-Beitritt betrieben. Und derzeit läuft sie auf Hochtouren. Man denke nur an die bedingungslose Unterstützung des "Strategischen Kompass" der EU einschließlich der Ankündigungen im Landesverteidigungsbericht 2022, Österreich werde sich in Hinkunft an EU-Militäreinsätzen „von Zentral-, Nordafrika bis zum Kaukasus“ beteiligen und Truppen für die Umsetzung der EU-Beistandsverpflichtung bereithalten.

Mehr Unsicherheit, mehr atomare Kriegsgefahr, mehr Rüstungswettläufe

Aus einer Friedens- und Neutralitätsperspektive lehnen wir entschieden den Beitritt zu „Sky Shield“ ab. Sky Shield macht Österreich und seine Bevölkerung nicht sicherer, im Gegenteil: es zurrt Österreich noch fester in den westlichen bzw. EU-Militärblock. Dadurch läuft Österreich viel eher Gefahr, in kriegerische Auseinandersetzungen hineingezogen und potenzielles Angriffsziel zu werden.

Dazu kommt: Bei Raketenabwehrwaffen handelt sich keineswegs – wie suggeriert – von vornherein um Defensivwaffen. Bisher vermied jede Atommacht den Einsatz von Nuklearraketen, weil sie befürchten musste, dass die angegriffene Gegenseite über hinreichende Möglichkeiten verfügen würde, einen Zweitschlag auszuführen. Wer als erster schoss, hatte die Gewissheit als zweiter zu sterben. Raketenabwehrsysteme könnten nun Aggressoren dazu verleiten, sich hinter einem Schutzschild sicher genug zu wähnen, um einen atomaren Erstschlag zu riskieren. Um das zu verhindern, hatten sich die USA und die UdSSR 1972 auf einen Anti-Ballistic-Missile (ABM-)Vertrag geeinigt, der Raketenabwehrsysteme auf ein Minimum begrenzte. Der Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag im Jahr 2002 löste eine gefährliche Entwicklung aus. Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI sieht bereits „das atomare Wettrüsten im vollen Gange“ (Frankfurter Rundschau, 13.6.2023). Von den bisher bekannten Atommächten verzichteten nur China (1964), die Sowjetunion (1982) und Indien (1999) offiziell auf die atomare Erstschlagsoption. Russland entschied sich als Nachfolgestaat der Sowjetunion 1993 dazu, diesen Verzicht nicht zu erneuern. Die USA bzw. die NATO behielt ohnehin immer den atomaren Erstschlag „im Köcher der Eskalation“. Ulrich Kühn, Experte für Rüstungskontrolle am ISFH, kommt deshalb zu Recht zu einem Urteil über „Sky Shield“, das in der bisherigen Debatte zumeist unter den Tisch fällt: „Raketenabwehr ist auch massiv destabilisierend und kann Rüstungswettläufe zusätzlich befeuern.“ (Die Zeit, 23.12.2022).

Keine militärische Kollaboration mit Völkerrechtsbrechern!

Die Behauptung, wir müssten uns an Sky Shield beteiligen, um uns gegen Russland zu verteidigen, da Moskau mit seinem Angriff auf die Ukraine seine Bereitschaft zum Bruch von Völkerrecht unter Beweis gestellt hat, fällt auf jene zurück, die das behaupten. Führende Nationen bei Sky-Shield sind derzeit Deutschland, Großbritannien und die Niederlande. Führende Lieferanten von Waffensystemen für Sky-Shield sind die USA und Israel. Das alles sind Nationen, die in den letzten Jahrzehnten ebenfalls unter Beweis gestellt haben, dass sie bereits sind, völkerrechtswidrige Angriffskriege zu führen und fremde Territorien zu okkupieren (Irak, Afghanistan, Jugoslawien, Libyen, Palästina). Neutralität heißt nicht, völkerrechtswidrige Angriffskriege bei Russland pfui und bei westlichen Mächten hui zu finden, sondern sich grundsätzlich gegen ALLE völkerrechtswidrigen Aggressionen zu engagieren und – konsequenterweise – mit keinem solcher Aggressoren militärische Verbindungen einzugehen.

Rückkehr zu einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik statt Milliarden für die Rüstungsindustrie!

Was ist für ein kleines Land wie Österreich der größte Schutz – und zugleich der wichtigste Beitrag für eine friedlichere Welt? Ganz sicher nicht, weitere Milliarden der Rüstungsindustrie in den Rachen zu werfen (die Beteiligung an Sky Shield würde Österreich zumindest zwei Milliarden Euro kosten!), um sich mit Staaten sicherheitspolitisch zusammenzuschließen, die keine Scheu vor völkerrechtswidrigen Angriffskriegen haben! Der wichtigste Beitrag sowohl für den Schutz der eigenen Bevölkerung als auch für mehr Frieden in der Welt wäre die Rückkehr zu einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik, die sich für den Respekt des Völkerrechts in den internationalen Beziehungen stark macht. Denn gerade kleine neutrale Staaten sind selbst besonders auf den Respekt des Völkerrechts angewiesen, um ihre eigene Sicherheit vor Großmächten zu schützen, die immer wieder versucht sind, auf das Faustrecht zurückzugreifen.

Völkerrecht statt Faustrecht!

Mit der – teilweise offenen, teilweise verschämten – Unterstützung westlicher Großmächte bei deren völkerrechtswidrigen Kriegen und Besatzungen haben die österreichischen Regierungen in den letzten Jahrzehnten friedenspolitisch versagt und den Schutz der eigenen Bevölkerung ignoriert. Das gilt aber auch für den Konflikt in der Ukraine. 2014 klatschte die österreichische Regierung Applaus, als EU und USA rechtsradikale Handlanger dabei unterstützten, die demokratisch gewählte Regierung in Kiew wegzuputschen, um die Neutralität der Ukraine zu kippen und das Land wirtschaftlich und militärisch an den Westen anzubinden. Als im Februar 2022 Russland völkerrechtswidrig die Ukraine überfiel, wie wichtig wären da viele internationale Stimmen gewesen, die sich für einen friedenspolitischen Ausweg aus dieser kriegerischen Katastrophe stark gemacht hätten! Nun es gab diese Stimmen: Sie setzten sich SOWOHL für die territoriale Integrität der Ukraine ein - also für den Rückzug der russischen Truppen - ALS AUCH dafür, die Ukraine nicht zum Aufmarschgebiet westlicher Großmächte gegen Russland zu machen - sprich eine Art Neutralität für eine souveräne Ukraine. Gerade für kleinere und mittlere Staaten an den großen geopolitischen Bruchlinien sind Neutralität und Souveränität oftmals Synonyme. Solche Staaten haben das Potential, sich aus der Rolle des passiven Zankapfels der Großmächte zum aktiven Brückenbauer zwischen ihnen zu entwickeln.

Es gab und gibt Stimmen, die sich international für eine solche Lösung stark machten und machen: Sie kamen/kommen vom früheren italienischen Außenminister Di Maio, aus dem Vatikan, aus dem globalen Süden, sogar aus China. Doch sie sind bislang nicht aus dem Land gekommen, das dafür vielleicht am prädestiniertesten ist: dem neutralen Österreich, dessen Wiedererlangung der Unabhängigkeit eng mit der Neutralität verknüpft ist. Stattdessen kommt gefühlt jede Woche aus Wien ein neuer Vorstoß zur Militarisierung des Landes und zur Ramponierung der eigenen Neutralität. Die Ambition, sich an Sky Shield zu beteiligen, reiht sich in diesen Wahnwitz ein.

Nicht resignieren, sondern organisieren!

Erst durch dieses friedenspolitische Versagen von Regierung und Opposition erhalten die schlimmsten Feinde der österreichischen Neutralität und Unabhängigkeit, die deutschnationalen Rechtsextremisten der FPÖ, den demagogischen Spielraum, sich als „Neutralitäts- und Friedensfreunde“ zu gerieren (siehe dazu ausführlicher hier).

Wir sollten ob dieser politischen Tragödie aber nicht resignieren, sondern uns organisieren. Die Solidarwerkstatt Österreich lädt herzlich dazu ein, mit uns gemeinsam Widerstand gegen Aufrüstung und Krieg zu leisten und sich für eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik einzusetzen.

Juli 2023
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Parlamentarische Bürgerinitiative - DIE WAFFEN NIEDER Parlamentarische Bürgerinitiative: DIE WAFFEN NIEDER! (solidarwerkstatt.at)