Schlagworte: Zentralrat der Konfessionsfreien Kirchenaustritt Kirchenprivilegien
Trennung von Staat und Kirche
Der Zentralrat der Konfessionsfreien fordert politische Konsequenzen aus den
gestern veröffentlichten Kirchenaustrittszahlen des Jahres 2022. Damit ist
der Anteil der Kirchenmitglieder in Deutschland von 49 auf 47 Prozent gefallen.
Die erneuten Rekorde seien nicht nur berechtigte Reaktionen auf sexuelle Verbrechen
der Kirchen, sondern auch ein lauter Ruf nach der Abschaffung kirchlicher Sonderrechte,
sagt der Vorsitzende des Zentralrats Philipp Möller. Selbst jetzt seien noch
zahlreiche Menschen Mitglied in einer Kirche, obwohl sie weltanschaulich oder
politisch nicht dahinterstünden.
Außerdem dürfe der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht länger dazu missbraucht
werden, die Austrittswellen als Gefahr für die sozialen Dienste der Kirchen
darzustellen.
Konkrete Forderungen an die Politik
"Im letzten Jahr haben über 900.000 Menschen der evangelischen und der
katholischen Kirche den Rücken gekehrt", fasst Möller zusammen. "Die
massiven Kirchenaustritte müssen politische Konsequenzen haben." Die Austritte
aus der katholischen Kirche sind um 45 Prozent angestiegen: von rund 360.000
im Jahr 2021 auf über 520.000 in 2022. Bei der evangelischen Kirche hat sich
dieser Wert um knapp 36 Prozent von 280.000 auf 380.000 erhöht. "Fast
2.500 Kirchenaustritte pro Tag sind ein unüberhörbarer Ruf nach konsequent
säkularer Politik." So fordert der Zentralrat eine ernsthafte Debatte
über die Kirchensteuer, die durch ihre Absetzbarkeit mit mehr als 4 Milliarden
Euro pro Jahr subventioniert wird.
"Fast 2.500 Kirchenaustritte pro Tag sind ein unüberhörbarer Ruf
nach konsequent säkularer Politik."
"Steuermilliarden für die Kirchen verzerren den weltanschaulichen Wettbewerb",
so Möller. Außerdem dürfe die Säuglingstaufe nicht länger als wirksamer
Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft gelten. Der Kirchenaustritt hingegen
müsse auch ohne staatliche Behörde ermöglicht werden – zumal viel zu wenige
Termine dafür angeboten würden. "Ohne solche Privilegien kämen wir der
realen Zustimmung zu den Kirchen erheblich näher", erklärt Möller. "Über
96 Prozent der Neueintritte in die katholische Kirche sind weder religionsmündig
noch geschäftsfähig – sondern meist Babys." Dass die Staatsanwaltschaften
zudem so lange mit Ermittlungen zu sexuellen Verbrechen in den Kirchen zögern,
zeige eine gefährliche Paralleljustiz auf. "Gesetze müssen für alle
gelten", so Möller, "auch für die Kirchen."
Staatsleistungen und kirchliches Arbeitsrecht müssen fallen
Ebenso kritisiert der Vorsitzende die "überzogenen Forderungen" zur
Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Die rund 600 Millionen Euro pro
Jahr werden außerhalb der Kirchensteuer von den Bundesländern gezahlt und
sollen Medienberichten zufolge mit 11 bis 15 Milliarden Euro abgelöst werden.
Das Institut für Weltanschauungsrecht hingegen beziffert die Ansprüche auf
135 Millionen Euro. "Die Kirchen stehen vor dem gesellschaftlichen Bankrott,
und zugleich steht das 100-fache einer realistischen Ablösung im Raum. "Auch
das Recht kirchlicher Arbeitgeber, von ihren Beschäftigten eine Kirchenmitgliedschaft
zu verlangen, verzerre das Bild erheblich", so Möller weiter. "Kirchliches
Arbeitsrecht kettet über 1,5 Millionen Menschen an die Kirchen – das verstößt
gegen das Grundgesetz und gegen EU-Recht."
"Keine staatliche Kirchenpropaganda!"
Scharfe Kritik übt Möller auch an Falschdarstellungen der Kirchenfinanzen
im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. So wurde etwa im SWR behauptet, die hohen
Austrittszahlen würden die sozialen Dienste der Kirchen gefährden. Die Einrichtungen
in kirchlicher Trägerschaft werden aber aus öffentlichen Geldern finanziert,
wie im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips üblich. "Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk darf nicht für Kirchenpropaganda missbraucht werden!", appelliert
Möller. "Der SWR muss die Falschaussagen dringend richtigstellen."
Kulturwandel muss zu Politikwandel führen
"Das säkulare Jahrzehnt ist in vollem Gange", stellt Möller fest.
"Schon bald werden mehr als die Hälfte der Deutschen konfessionsfrei sein
– darauf muss die Politik reagieren." Viele kirchliche Sonderrechte seien
Überbleibsel der "Kirchenrepublik Deutschland", sagt Möller, in
der "weit über 90 Prozent der Bevölkerung wie selbstverständlich Kirchenmitglieder
waren – heute sind es noch 47 Prozent". Neben den bereits genannten Privilegien
gehören dazu Kruzifixe in Behörden und Schulen, der konfessionelle Religionsunterricht,
die Ausbildung von Klerikern an staatlichen Hochschulen, überproportional viele
Mitglieder in Rundfunk- und Ethikrat sowie zahlreiche Gesetze, die auf christlichen
Dogmen beruhen. "Die Kirchenprivilegien sollten nicht auf andere Weltanschauungsgemeinschaften
ausgeweitet werden", fordert Möller. Der Zentralrat spricht sich stattdessen
für den Abbau von Sonderrechten aller Weltanschauungsgemeinschaften aus.
"Es ist in Deutschland längst nicht mehr normal, religiös zu sein.
Immer mehr Menschen entscheiden sich für ein Leben in Konfessionsfreiheit –
diesem kulturellen Wandel muss ein politischer Wandel folgen."
Soweit die Meldung aus Deutschland, wie schaut es in Österreich aus?
Mit 52,1% lag 2022 der Katholikenanteil noch etwas über 50%, aber anfangs der
Fünfzigerjahren waren es noch um die neunzig Prozent gewesen, das müsste auch
in Österreich Konsequenzen haben...