Unser Korrespondent meint, dem Laien die Quantentheorie schmackhaft machen
zu können. Heute mit Hilfe einer halbtoten Katze.
Zur Erinnerung: Die Quantenphysik wird von einer Formel beherrscht, der
Schrödinger-Gleichung. In ihr kommt eine geheimnisvolle Funktion namens psi
vor, von der bis heute niemand weiß, was sie darstellen soll: eine echte Welle
(was? wo? wie?), ein rein mathematisches Mittel zur Beschreibung (wie die Epizyklen
des Ptolemäus), oder was sonst?
Auf jeden Fall ist die Gleichung deterministisch, d.h. die bestimmt die Zukunft
eindeutig. Wieso aber meint die ganze Welt, im Bereich der Quanten wäre alles
vom Zufall bestimmt? Weil ein gewissen Max Born das "psi" so deutete:
Es ist eine Wahrscheinlichkeitswelle, und ihr Quadrat ergibt die Wahrscheinlichkeit
eines Vorgangs. Born und Co. (Bohr, Heisenberg, etc.) brachten noch weitere
Seltsamkeiten in die neue Theorie der wirklich kleinen Dinge. Heisenberg erfand
seine Unsicherheit (siehe den ersten Teil dieser Trilogie), und Bohr meinte,
dass ein Zustand so lange unbestimmt bleibt, bis das System beobachtet oder
gemessen wird. Womit wir allmählich zu Schrödingers unglücklicher Katze kommen.
Nach dem Willen der Mathematiker wird die Welt des wirklich Kleinen beschrieben
durch einen Vektor in einem abstrakten Raum ("Hilbertraum"), der alle
möglichen Zustände des Systems enthält. Jeder dieser Zustände hat eine bestimmte
Wahrscheinlichkeit. Durch eine Messung oder Beobachtung - so die Deutung der
"orthodoxen" Quantenphysik (Born, Bohr, Heisenberg) - wird aus diesen
möglichen Zuständen ein einziger herausgeschält, er erhält die Wahrscheinlichkeit
"1", alle anderen werden zu null. Dieser Vorgang heißt auch "Kollaps"
(Zusammenbruch) der Wellenfunktion. Die Wellenfunktion ("psi") der
Schrödingergleichung, ursprünglich ein Wellenpaket (eine Überlagerung vieler
Wellen), wird durch die Beobachtung ganz plötzlich "gestaucht", bis
nur noch eine einzige Welle - eine einzige Möglichkeit, also der wirkliche
Zustand - übrig bleibt.
Jetzt kommt Schrödinger und steckt - seine Grausamkeit ist wenig verständlich
- eine Katze in eine Schachtel mit einer Zyankali-Ampulle, nach Schrödinger
in eine Höllenmaschine. Ein Hammer zerschlägt das Glas irgendwann, denn er
wird von einem Atom aus einer radioaktiven Quelle betätigt. Nach der Kopenhagener
Deutung ("Orthodoxe Quantenphysik") besteht die Katze aus der Überlagerung
zweier Zustände: tot und lebendig zugleich. Diese Überlagerung wird erst durch
eine Beobachtung aufgehoben (was in unserem Witz durch den Polizisten geschah),
dann ist die Katze endgültig tot oder auch nicht. Wobei sich bei aller Absurdität
der Situation auch noch die Frage erhebt: Was ist in diesem Fall eine "Beobachtung"?
Direkt hineinschauen, nur ein Foto knipsen, beobachtet sich die Katze selbst
oder sieht Gott alles?
Noch absurder wird die Vorstellung, wenn man die Katze durch eine Bombe
ersetzt (was der ursprünglichen Idee Einsteins entspricht, mit der er Schrödinger
zu seinem Katzenparadoxon anregte) und die Giftgasampulle durch den Bombenauslöser.
Angenommen, ein Atom ist auf den Auslöser gehüpft und hat die Bombe gezündet.
Die aber explodiert erst, wenn der Deckel gelüftet und nachgeschaut wird -
was auch niemals geschehen kann. Eine Bombe, die gleichzeitig explodiert und
nicht explodiert ???
Das alles sind doch müßige Spekulationen, sollte man meinen. Schließlich
handelt es sich bei der Katze um ein eindeutig makroskopisches Objekt, während
die Quantenphysik für den Mikrokosmos zuständig ist. Mag sein, doch die Grenzen
zwischen dem winzig Kleinen und dem alltäglich Fassbaren verschwinden. So gibt
es inzwischen "Bose-Einstein-Kondensate", ultrakalte Gase mit mehreren
tausend Atomen, die sich wie ein einziges Quantenteilchen verhalten. Inzwischen
hat man die Anzahl der Atome auf zehn Millionen gesteigert. Vom Standpunkt eines
menschlichen Betrachters aus ist das noch immer recht wenig, aber in supraleitenden
Schaltkreisen können solche Überlagerungen wie bei Schrödingers Katze bei
tiefen Temperaturen in Objekten hergestellt werden, die man mit bloßem Auge
sehen kann. Diese Zustände heißen sogar offiziell "Katzenzustände",
zu Ehren der malträtierten Katze aus Schrödingers Höllenmaschine.
Mehr noch: Mit einem solchen Katzenzustand konnten Nadav Katz (der Name ist
reiner Zufall!) und Mitarbeiter von der kalifornischen Universität in Santa
Barbara im Jahre 2008, metaphorisch gesprochen, einen kurzen Blick in die Höllenmaschine
werfen, ohne die Katze zu "kollabieren", um dann, nach Verschließen
des Deckels, die kurze Störung wieder rückgängig zu machen, sodass die "Katze"
weiterhin im Schwebezustand zwischen Leben und Tod verharrte. Oder, etwas wissenschaftlicher
ausgedrückt: Ein Supraleiter, bei dem bei tiefen Temperaturen der elektrische
Widerstand verschwindet, kann zwei Energien besitzen, eine niedrige und eine
hohe. Mit unserer Katzen-Analogie können wir die niedrige Energie mit dem Tod
der Katze gleichsetzen, während sie bei hoher Energie noch lebt.
Der Supraleiter wurde so präpariert, dass erst mal beide Energieformen vorhanden
sind (Katzen-Analogie: lebendig und tot zugleich). Durch Einschalten einer Barriere
für die niedrige Energie konnten sie 'messen' (eigentlich nur vermuten), dass
das System im Zustand niedriger Energie ist, sonst wäre nämlich durch den
quantenphysikalischen Tunneleffekt ein wenig von der höheren Energie über
die Barriere geschwappt. Die Katze war also, nach einem kurzen Blick in die
Schachtel, mit größter Wahrscheinlichkeit schon tot.
Jetzt wurden die Energien vertauscht, und eine erneute (schwache) Messung machte
die erste Messung zunichte. Die Forscher fanden sozusagen einen "Messungsradierer",
sie machten die vermutlich tote Katze wieder lebendig. Kommentar des Quantenphysikers
Vlatko Vedral von der britischen Universität in Leeds: "Wir können nicht
annehmen, dass eine Messung erst die Wirklichkeit erschafft, da es möglich
ist, die Effekte einer Messung rückgängig zu machen." Mit anderen Worten:
Wir können die durch eine Messung angeblich erschaffene Realität durch eine
Anti-Messung wieder zum Verschwinden bringen. Das ist wahre Magie!
Mehr dazu hier...